aargauSüd
«Es war eine Herkulesarbeit» – Schulleiter Joachim Redondo über den Aufbau der neuen Kreisschule mitten in der Pandemie

Kaum war die Kreisschule aargauSüd gegründet, versetzte das Coronavirus die Welt in eine Schockstarre. Trotz aller Widrigkeiten für den Schulbetrieb sieht der Kreisschulleiter einen Aspekt, den die Krise positiv beeinflusst hat.

Pascal Bruhin
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«Aus dem Krisenmodus sind wir gar nie rausgekommen»: Schulleiter Joachim Redondo lotst die Kreisschule aargauSüd durch die Pandemie.

«Aus dem Krisenmodus sind wir gar nie rausgekommen»: Schulleiter Joachim Redondo lotst die Kreisschule aargauSüd durch die Pandemie.

Bild: Alex Spichale

«Als Schulleiter ist es nicht entscheidend, wie oft man hinfällt, sondern, wie oft man wieder aufsteht.» Als Joachim Redondo, neuer Kreisschulleiter, diesen Satz beim offiziellen Eröffnungsapéro der Kreisschule aargauSüd im Reinacher Saalbau am 7. Januar 2020 von sich gab, wusste er noch nicht, welche Bedeutung seinen Worten zukommen sollte. Denn knapp zehn Wochen später verhängte der Bundesrat den nationalen Lockdown, schloss Restaurants, Läden und eben auch Schulen.

«Als Schule haben wir einen denkbar schwierigen Start erwischt», blickt Redondo heute zurück. Per 1. Januar 2020 begann die Kreisschule aargauSüd zu existieren, der eigentliche Schulbetrieb begann mit dem Schuljahresbeginn 2020/21. Die drei zuvor selbstständigen Kreisschulen Mittleres Wynental und Homberg sowie die Schule Menziken, die insgesamt 10 beteiligten Gemeinden mit nunmehr rund 1000 Oberstufenschülerinnen und -schülern und über 120 Lehrpersonen angehören, mussten auf einen Schlag zusammenwachsen. Damals schien sich die Pandemie dem Ende zu nähern. Doch das sollte nicht lange währen.

30 Prozent der Lehrerschaft fiel coronabedingt aus

In der Zeit von November 2020 bis Mitte April 2021 fielen insgesamt 40 Lehrpersonen, also rund 30 Prozent, aus, zeitweise fünf bis sechs gleichzeitig. Nur durch externe Stellvertretungen, Teilzeitlehrpersonen, die ihr Pensum kurzfristig erhöhen konnten, und dem grossen Engagement der Standortleitungen und bestehenden Lehrpersonen konnten diese Ausfälle aufgefangen werden. Redondo sagt:

«Es war eine Herkulesarbeit, den Schulbetrieb überhaupt aufrechterhalten zu können. Die Belastung war enorm.»

Und führt aus: «Hier gebührt das grosse Lob den Lehrpersonen, Standortleitungen und der Schulverwaltung. Sie haben Grosses geleistet. Ich bin mir gewiss, dass dies auf die gesamte Bildungslandschaft zutrifft.» Er selbst habe manche schlaflose Nacht durchgemacht, weil er nicht wusste, ob am nächsten Morgen vor jeder Klasse wirklich eine Lehrperson stehen würde. Dank der Zusammenarbeit auf allen Ebenen hätten aber immer Lösungen gefunden werden können.

Doch nicht nur die organisatorische und arbeitstechnische, sondern insbesondere auch die emotionale Belastung war hoch. Auch für den Kreisschulleiter. «Wenn etwa Kolleginnen oder Kollegen am Virus erkranken, geht einem das natürlich sehr nahe», sagt der 43-Jährige. Davon habe es einige gegeben. Eine schwere Erkrankung ging dem Schulleiter besonders nahe.

Jugendliche litten am meisten in der Pandemie

Emotional am meisten unter den Folgen der Pandemie gelitten hätten jedoch die Jugendlichen. «Für die Schülerinnen und Schüler war die Zeit eine grosse Herausforderung», so Redondo, der selbst Familienvater ist. Sie, mitten in der Pubertät steckend, mussten plötzlich auf vieles verzichten, was zum Erwachsenwerden dazugehört. Sie standen denn auch immer im Zentrum der Entscheidungen, die er treffen musste. «Uns war es wichtig, ihnen zu zeigen, dass wir auch auf sie angewiesen sind, dass wir alle im selben Boot sitzen.»

Entscheidungen alleine zu treffen, das sei im geregelten Schulbetrieb normalerweise nicht üblich, so Redondo. Doch die Pandemie mit ihren fast täglich wechselnden Gegebenheiten erforderte rasches Handeln und kurze Entscheidungswege. Etwa bei der Digitalisierung, bei der es zuvor an allen vier Standorten noch erheblichen Nachholbedarf gab, wie sich Redondo erinnert.

Oder auch bei der Maskenpflicht. Die hatte die Kreisschule wegen überbordender Fallzahlen auf Geheiss der Schulführung auf eigene Faust eingeführt, sie wurde aber vom Kanton wieder aufgehoben. «Ironischerweise verhängte genau die gleiche Stelle eine Woche später eine generelle Maskenpflicht in allen Schulen», meint Redondo schmunzelnd und fügt dann nachdenklich an:

«Das zeigt, in welchem Dilemma sich alle Entscheidungsträger befanden. Was an einem Tag richtig schien, konnte schon am nächsten wieder ungültig sein.»

Abgesehen von dieser kleinen Episode habe sich die Kreisschule durch die Verantwortlichen des Kantons stets gehört und unterstützt gefühlt.

Pandemie als Katalysator fürs Zusammenwachsen

So unberechenbar die Irrungen und Wirrungen der Pandemie auch waren und nach wie vor sind, möglicherweise brachte sie für den Aufbau der Kreisschule auch einen Vorteil: «Wenn es etwas kleines Positives an der Krise gibt, dann vielleicht, dass wir durch sie viel schneller zusammenwachsen mussten. Man konnte sich keine grossen Gedanken machen, man musste einfach von Anfang an am gleichen Strick ziehen. Es ging nicht anders», so Redondo. Für Befindlichkeiten oder Animositäten sei gar keine Zeit gewesen. Die Pandemie habe diesbezüglich wie ein Katalysator gewirkt.

Das zeigte sich auch in anderen Bereichen. Etwa beim längeren Schulweg für gewisse Kinder, der vor dem Zusammenschluss zur Kreisschule für Diskussionen sorgte. «Natürlich ist der Schulweg für die Eltern generell ein grosses, wichtiges Thema, aber er steht heute nicht mehr so im Vordergrund», sagt Redondo. Die Akzeptanz sei gestiegen, weil es die Situation erfordert habe. Dabei habe sicherlich auch die frühzeitige Planung und offene Kommunikation der Schulführung über die Einteilung und deren Gründe das Verständnis der Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern gesteigert.

Dennoch, von einem Normalbetrieb könne man noch nicht sprechen, obwohl die Kreisschule enorme Entwicklungsschritte hätte machen können. Redondo hält fest:

«Aus dem Krisenmodus sind wir aber gar nie rausgekommen.»

Der Schulbetrieb komme jedoch langsam wieder in geregelte Bahnen, so Redondo. Die Ungewissheit sei unterdessen zur Normalität geworden. Daher blickt der Schulleiter auch der Eingliederung der ukrainischen Flüchtlinge – diesen Montag tritt der erste geflüchtete Schüler ein – oder auch einer erneuten Coronawelle im Herbst nicht mehr so angespannt entgegen, obwohl er eigentlich noch gar nicht daran denken möchte. Nach zwei Jahren Krisenmanagement sagt Redondo: «Ich glaube nicht, dass mich eine neue Welle noch erschüttern kann.»