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Aargau
Der Aargauer Pfarrer Adrian Bolzern besucht als Zirkusseelsorger die Zirkuszelte in der ganzen Schweiz. Er segnet Riesenräder, tauft Kinder von Schaustellerfamilien und hat in diesen schweren Zeiten ein besonderes offenes Ohr für die Sorgen und Ängste der Betroffenen.
Herr Bolzern, wieso brennt hier ein Feuer in Zollikon?
Zum einen ist es ein Zeichen, damit man die Schausteller, Marktfahrer und Zirkusleute der Schweiz nicht vergisst. Viele hatten seit mehr als einem Jahr keine richtigen Einnahmen mehr. Zwar gab es im Sommer ein paar kleine Veranstaltungen, doch das reicht nicht. Gleichzeitig soll es den Menschen, die sich sonst einmal in der Woche an der Chilbi sehen, die Möglichkeit geben, sich auszutauschen. Und: Das Feuer soll auch ein Hoffnungssymbol sein.
Worin besteht Ihre Arbeit als Zirkuspfarrer normalerweise?
Ich besuche regelmässig die Chilbis und Zirkusse und spreche mit den Menschen, die dort arbeiten. Die Idee dahinter ist, dass die Schausteller, die ja häufig auch am Wochenende arbeiten, nicht in die Kirche kommen müssen, sondern, dass wir die Kirche zu ihnen bringen. Ich taufe Kinder von Schaustellerfamilien, halte Predigten in Zirkuszelten, oder segne ein Riesenrad.
Wie haben Sie in der Pandemiezeit den Kontakt mit den Menschen aufrechterhalten?
Ich habe noch nie so viel telefoniert wie in diesem Jahr. Und im Februar habe ich eine kleine Tour de Suisse durch die Zirkusse und Schaustellerfamilien gemacht. Für jede Familie habe ich mir einen halben Tag Zeit genommen. Das wurde sehr geschätzt.
Was beschäftigt die Menschen in der Branche im Moment am meisten?
Das Schlimmste ist die Angst um die Existenz, die droht, verloren zu gehen. Oft sind es Familienunternehmen, die über Generationen weitergegeben wurden, und die jetzt am Abgrund stehen. Und das völlig unverschuldet. Hinzu kommt die plötzliche Zeit. Schausteller sind Menschen, die normalerweise immer sehr beschäftigt sind, jetzt hocken sie in ihren Winterquartieren und haben plötzlich nichts mehr zu tun.
Gab es schon viele Konkurse?
Bis jetzt ist es zum Glück noch ruhig. Da zeigt sich einmal mehr: Die Menschen der Branche sind Überlebenskünstler. Viele versuchen sich mit Gelegenheitsjobs irgendwie über Wasser zu halten. Ausserdem ist der Zusammenhalt in der Branche sehr gross: Man kann auf die Unterstützung der anderen zählen.
Was bedeuten der Zirkus und die Chilbi für Sie?
Als Kind ging ich immer sehr gerne an die Chilbi und bin so viele Bahnen gefahren, wie es mein Budget zuliess. Für mich ist die es auch ein wertvolles Kulturgut. Wenn das so weitergeht, werden wir dieses verlieren. Wie wichtig die Chilbi ist, werden wir erst merken, wenn es sie nicht mehr gibt.