Kurz vor Weihnachten 2015 löschte Thomas N. in Rupperswil eine Familie aus. Kurz vor Weihnachten 2018 wird das Aargauer Obergericht als zweite Instanz den Vierfachmord verhandeln. Zum Prozess am 13. Dezember kommt es, weil der Mörder Berufung eingelegt hat. Er fordert, dass die vom Lenzburger Bezirksgericht im März verhängte ordentliche Verwahrung aufgehoben wird.
Hätte N. das Urteil akzeptiert, hätte sich auch die Staatsanwaltschaft damit einverstanden erklärt. Sie verzichtete auf eine Berufung. Inzwischen hat sie aber eine Anschlussberufung eingelegt. Die Strafprozessordnung sieht vor, dass eine Partei mit diesem Mittel ein Urteil auch in Punkten anfechten kann, die über die Berufung hinausgehen. Für N. könnte die Beschwerde zum Bumerang werden, falls sich die Staatsanwaltschaft durchsetzt. In drei Punkten fordert sie eine Verschärfung.
- Die Staatsanwaltschaft beantragt eine lebenslängliche Verwahrung. Diese wird nur überprüft, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Bei der ordentlichen Verwahrung hingegen wird regelmässig untersucht, ob der Täter noch gefährlich ist. Bei positiver Prognose kann er unter Auflagen entlassen werden. Bei negativer Prognose kann er lebenslänglich verwahrt bleiben. Die Chancen der Staatsanwaltschaft in diesem Punkt sind gering, weil das Bundesgericht bisher alle angefochtenen lebenslänglichen Verwahrungen aufgehoben hat. Eine Minderheit des Bezirksgerichts hatte die Forderung allerdings unterstützt.
- Die Staatsanwaltschaft fordert zudem ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot für die Zusammenarbeit von N. mit Minderjährigen. Aufgrund der Begründung des Bezirksgerichts erscheint diese Forderung aussichtslos. Die erste Instanz lehnte ein Berufsverbot ab, weil dieses gemäss Rechtslehre nur für leichte Fälle gedacht sei. Es gehe um Täter, denen man eine günstige Prognose ausstellen könnte, sofern spezifische Tatgelegenheiten unterbunden würden. Für Schwerverbrecher wie N. hingegen sei vorgesehen, dass ein Berufsverbot erst im Fall einer Entlassung erteilt werde.
- Die Staatsanwaltschaft verlangt ausserdem, dass die ambulante Massnahme aufgehoben wird. Mit dieser soll die psychische Störung von N. hinter Gittern therapiert werden. Eine Voraussetzung ist aber eigentlich, dass ein Erfolg innert fünf Jahren zu erwarten ist. Dies verneinen die Gutachter im Fall von Thomas N. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft in diesem Punkt die besten Chancen.
Sollte das Gericht hingegen die Therapie befürworten, könnte es die Verwahrung aufheben. Denn grundsätzlich schliessen sich diese beiden Massnahmen gegenseitig aus. Diese juristischen Widersprüche sollen am 13. Dezember geklärt werden.
Vierfachmord Rupperswil – von der Tat bis zum Urteil:
Vierfachmord Rupperswil – von der Tat bis zum Urteil: Am 21. Dezember 2015 wird Rupperswil zum Schauplatz eines der grausamsten Mordfälle in der Schweizer Kriminalgeschichte.
SEVERIN BIGLER