Beide haben eine jahrhundertealte Geschichte: Die Glocken- und Kunstgiesserei H. Rüetschi AG in Aarau und das Wasserschloss Hallwyl in Seengen. Nun entsteht in der Giesserei ein Modell des Schlosses – mit modernster Technologie.
18 Sekunden lang fliesst der dünne Strom, glühbirnenfadenrot, und atemlos schaut man zu, wie all die Bronze im Gips verschwindet, spürt die Hitze über Meter hinweg die Backen wärmen. Kaum wölbt sich die Masse aus dem Gips, schnurrt der Kran, zieht das Grafitgefäss in die Höhe, hin zur nächsten Küvette, hin zum nächsten Bauteil. Das hier ist Schlösserbauen in Sekundenschnelle.
Was diese Woche bei der Glocken- und Kunstgiesserei H. Rüetschi AG am Rain in Aarau gegossen wurde, ist das Wasserschloss Hallwyl in Seengen. Als Modell natürlich, als Ersatz für das bisherige Betonmodell, das im Schlosshof unter der Linde steht.
Eine aufregende Angelegenheit, nicht nur für das Museum Aargau und die Gesellschaft zum Falken und Fisch, die als Förderverein des Schlosses das Projekt Bronzemodell grosszügig unterstützen. Sondern auch für die Glockengiesserei selbst: Es ist für das Traditionsunternehmen mit über 650 Jahren Geschichte das erste Projekt, das komplett, also vom Entwurf bis zum fertigen Objekt, «in house» in 3D-Technologie hergestellt wurde.
Doch langsam und der Reihe nach, denn sekundenschnell verlief einzig der Guss: Das besagte Betonmodell tat zwar die letzten Jahre seinen Dienst als Erklär-Objekt, doch sei man stets etwas unglücklich damit gewesen, so Rudolf Velhagen, Chefkurator Sammlung und Ausstellungen von Museum Aargau. Nachdem die Gesellschaft zum Falken und Fisch ihre Unterstützung zugesagt hatte, habe man sich auf die Suche nach einem Unternehmen gemacht, das diesen Auftrag ausführen kann – und wurde mit der Aarauer Giesserei quasi in der Nachbarschaft fündig.
Das war vor rund zwei Jahren. Denn jetzt fing die Arbeit erst so richtig an, schliesslich sollte das neue Modell nicht einfach nur eine Kopie des alten werden. Doch: Wie naturalistisch soll das Modell werden? Wie sollen Wasser oder Mauerwerk dargestellt werden? Wird das Modell beschriftet oder nicht? «Wir haben monatelange Diskussionen geführt», sagt Velhagen, der das Projekt gemeinsam mit Ruedi Ursprung von der Gesellschaft zum Falken und Fisch betreut hat.
Am Bildschirm entstanden, basierend auf dem Scan des alten Modells, ist schliesslich eines mit gewissen Strukturen, aber keines, das überzeichnet wirkt. «Kein Zuckergusshäuschen», wie Pascal Flury, Projektleiter der Glockengiesserei Rüetschi, sagt. Aber ein Schloss mit angedeutetem Ziegeldach, dem man auch ansieht, wo es steht, so Velhagen: «Das Wasser ist nun im Modell als solches erkennbar.»
Mit dem 3D-Drucker aus Wachs hergestellt, wurde das Modell schliesslich mit Keramik überzogen und das Wachs ausgeschmolzen. Eine weitere Knacknuss: Um für Risse anfällige Übergänge zu vermeiden, wurde das Schloss-Modell in 32 Teile zerlegt, die einzeln gegossen und dann zusammengesetzt werden.
Das Zerlegen wiederum birgt ein gewisses Risiko, schwindet Bronze doch jeweils um 1,5 bis 2 Prozent. Doch die ersten fertigen Teile passen alle millimetergenau ineinander – wie angegossen.
Bevor die frisch gegossenen Schloss-Teile aus Gips und Keramik geschlagen werden, müssen sie erst ein paar Stunden lang abkühlen, rund 1100 Grad Celsius ist die Legierung beim Giessen heiss. Anschliessend werden die verschiedenen Elemente von überschüssigem Material befreit, bevor sie mit Säure behandelt werden und so ihr definitives Farbbild bekommen. Denn jetzt, frisch gegossen, kommt Schloss Hallwyl noch hellrosa daher.
In den nächsten Wochen soll das rund 120 Kilogramm schwere Bronze-Modell im Schlosshof platziert werden, pünktlich zur Saisoneröffnung am 1. April.