Beinwil am See
«Das Tafelsilber nicht weggeben»: Der Strom soll nicht vergoldet werden

In Beinwil am See lehnt der Gemeinderat ein sehr lukratives Kaufangebot ab. Das AEW hatte 8,5 Mio. Fr. geboten.

Urs Helbling
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Peter Lenzin, Gemeindeammann: «Wenn man Geld in der Kasse hat, steigen die Ansprüche.» (Archivbild)

Peter Lenzin, Gemeindeammann: «Wenn man Geld in der Kasse hat, steigen die Ansprüche.» (Archivbild)

Pascal Meier

Wie politisch brisant Verkäufe von kommunalen Stromversorgern sein können, hat sich im Frühling 2018 gezeigt, als die Kölliker trotz eines 12-Millionen-Franken-Angebots der Eniwa klar beschlossen, die EWK Energie AG zu behalten. Jetzt macht sich der Gemeinderat Beinwil am See daran, die lokale Elektrizitätsversorgung neu aufzustellen. Und auch er hat einen Verkauf geprüft.

Es gäbe ein, so Gemeindeammann Peter Lenzin, «sehr gutes Angebot». Das AEW wäre bereit, 8,5 Millionen Franken zu bezahlen. Doch der Reiz des grossen Geldes liess den Gemeinderat nicht schwach werden: Er schlägt der Gemeindeversammlung vom 13. November statt eines Verkaufs eine Lösung vor, wie es sie im Aargau so noch nicht gegeben hat: eine Verpachtung an die Centralschweizerische Kraftwerke AG (CKW).

Beinwil hat heute sehr preiswerten Strom

Wenn die technischen Herausforderungen, etwa die zunehmenden Einspeisungen durch Fotovoltaikanlagen und die anstehende Strommarktliberalisierung für Private nicht wären, gäbe es wenig Grund, an der Elektrizitätsversorgung Beinwil am See etwas zu ändern. Sie ist ein solide finanzierter Eigenwirtschaftsbetrieb, der technisch seit 2012 von der EWS Energie AG (Reinach) und administrativ von der Gemeindeverwaltung geführt wird. Der Einkauf der Energie und die Festsetzung des Strompreises liegen aktuell in der Entscheidungsbefugnis des Gemeinderates. Und dieser hatte bisher eine glückliche Hand: Die Beinwiler sind gemäss Strompreisvergleich der AZ im nächsten Jahr in den Top 15 im Gebiet Aargau West.

Das AEW würde 4,3 Mio. Fr. Goodwill bezahlen

Die anstehenden Veränderungen machen die Führung der kommunalen Elektrizitätsversorgung immer anspruchsvoller. Der Gemeinderat hat deshalb verschiedene Optionen evaluiert. «Finanziell die interessanteste wäre ein Verkauf an das AEW», erklärt Peter Lenzin.

Der Wert der Elektrizitätsversorgung läge bei 4,2 Millionen Franken, das AEW wäre bereit, inklusive Goodwill 8,5 Millionen Franken zu bezahlen. Das AEW hat im Seetal bereits eine starke Position: Es ist etwa in Boniswil, Meisterschwanden und Seengen Direktversorger.

CKW legt künftig den Strompreis fest

Birrwil gehört zu den fünf Gemeinden der EWS Energie AG. Diese hatte auch eine Art Kaufangebot für das Beinwiler Netz gemacht. Aber ein weniger attraktives. Die Beinwiler hätten ihr Netz in die EWS einbringen müssen, dafür 10 Prozent des EWS-Aktienkapitals und eine Ausgleichszahlung bekommen.

Der Gemeinderat ist zum Schluss gekommen, trotz des sehr lukrativen AEW-Angebotes auf einen Verkauf zu verzichten. «Nach dem Motto: Man sollte das Tafelsilber nicht weggeben», so Lenzin. Aber auch, weil nach dem Verkauf in der Gemeinde die Versuchung grösser würde, nicht wirklich nötige Investitionen zu tätigen. «Wenn man Geld in der Kasse hat, steigen die Ansprüche», so Peter Lenzin.

Gemeinderat müsste Beiträge freigeben

So hat der Gemeinderat beschlossen, dem Souverän eine Pachtlösung vorzuschlagen. Etwas, das es im Aargau noch nicht gibt, aber im Solothurnischen und in der Innerschweiz durchaus gängig ist. «Die CKW unterbreitete ein sehr lukratives Angebot mit einer jährlichen Netzpacht von 370'000 Franken für die Pachtdauer von acht Jahren und Übernahme der Initialkosten», heisst es in den Unterlagen der Gemeindeversammlung. Beinwil bliebe so Besitzer der Elektrizitätsversorgung, diese würde vollumfänglich von der CKW (einer Axpo-Tochter) betrieben.

Die CKW würde zwar die Investitionsplanung machen, der Gemeinderat müsste aber die Beiträge freigeben. Er könnte auch den Strommix (Anteil Wasser-/Atomkraft) definieren. Die Festlegung des Strompreises läge aber in der Kompetenz der CKW. Die Tarife wären ähnlich wie heute, eher sogar noch etwas tiefer, wurde an einer Orientierung betont.

Sollte sich die Gemeindeversammlung gegen eine Verpachtung an die CKW aussprechen, so beantragt der Gemeinderat eine Auslagerung aller mit dem Betrieb des Netzes zusammenhängenden Tätigkeiten mittels Dienstleistungsvertrag an das AEW. Die EWS müsste sich im ersten Halbjahr 2021 ganz aus Beinwil am See verabschieden.