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Wenig bekannt ist die ambulante Sterbebegleitung des Hospiz-Vereins Aargau: Drei Frauen erzählen von ihren Erfahrungen – Sterbebegleitung braucht Fingerspitzengefühl und Empathie.
Sie sitzen am Tisch und erzählen, als ob es sich um eine heitere Kaffeerunde handle. Dabei werden Verena Hagist, Rita Staubli und Sophie Trottmann seit Jahren mit Schwerem konfrontiert: Sterben und Tod. Müssten sie da nicht traurig sein oder sogar zusammenbrechen? Eine Vorstellung, die sich im Gespräch mit den Frauen rasch als Klischee entpuppt: Das Gegenteil ist der Fall.
Rita Staubli und Sophie Trottmann sind im 30-köpfigen Team der ambulanten Sterbebegleiterinnen des Aargauer Hospiz-Vereins; Verena Hagist ist – neben Elisabeth von Rohr und Rosmarie Hegi – Einsatzleiterin.
Sie nimmt die Anrufe von Ärzten, Onko-Spitex, Spitälern, Angehörigen und Freunden entgegen. Von solchen, die einen Menschen in seinen letzten Stunden nicht allein sehen wollen, sondern im Beisein einer Sterbebegleiterin oder eines Sterbebegleiters, die eine beruhigende Atmosphäre schaffen und den Angehörigen Beistand leisten können.
Die drei freiwilligen Sterbebegleiterinnen, die an diesem Morgen im Hospiz Brugg von ihrer Tätigkeit erzählen, wissen um die Schwierigkeit des fragilen, endgültigen Abschiedsprozesses.
Tiefer Respekt vor dem Unwiederbringlichen und einem alles verändernden Augenblick sind in den letzten Stunden gefragt – und das nicht nur im Hinblick auf den Sterbenden, sondern auch auf seine Angehörigen.
Die Sterbebegleiterinnen wissen, mit was sie konfrontiert werden, wenn sie in einem Zuhause eintreffen: Traurigkeit, Verlustängste, Ungewissheit, Sorgen, Schuldgefühle.
Was muss man «können», um all dies auszuhalten? «Zuhören», sagt Rita Staubli und doppelt nach: «Man muss die eigene Person zurückstellen können.»
Die Begriffe Fingerspitzengefühl und Empathie werden von den drei Frauen nicht in den Mund genommen, doch sie schwingen in jedem ihrer Sätze mit.
Der Tod, verdeutlichen die Drei mit leisem Nachdruck, ist für sie unabdingbarer Teil des Lebens. Sie nickend bedauernd, als die Rede auf jene Menschen kommt, die den Tod strikte aus dem Leben ausklammern.
Verena Hagist, Rita Staubli und Sophie Trottmann wissen, wie das Leben spielt. Sie selbst haben mit dem Tod ihre ebenso schmerzlichen wie positiven Erfahrungen gesammelt.
Sophie Trottmanns erster Mann bekam in der Blüte seines Lebens die Diagnose: Krebs. Ihr Mann habe nicht ins Spital gewollt, sagt seine Frau.
Der Mann starb zu Hause, «dämmerte einfach ein». Dass seine Frau nicht in bodenlose Trauer versank, ist vor allem dem Umstand zuzuschreiben, «dass mein Mann und ich vor seinem Tod ganz offen darüber sprachen, wie es weitergehen soll».
Blickt Sophie Trottmann zurück, stellt sie dankbar fest: «Ich erlebte Sterben und Tod als positives Erlebnis.» Als sie das Hospiz und dessen Arbeit kennenlernte, stand für sie fest: Sie wollte Sterbenden beistehen.
Einfach da sein, um dann sagen zu können: «Es war gut, dass ich da war, das gibt mir Kraft.» – «Sterbebegleitung gibt einem so viel; ich möchte sie nicht missen», sagt Einsatzleiterin Verena Hagist.
«Sie haben mir einen Engel geschickt», bekam Rita Staubli zu hören – und das sowie die vielen mündlichen und schriftlichen Rückmeldungen motivieren sie, weiterzumachen. Stichwort einsatzbereit: Wie oft sind das die Freiwilligen an der Einsatzzentrale? «Vier Monate pro Jahr», sagt Verena Hagist und gibt ein Beispiel: «Das können etwa die Monate Januar/Februar und dann die Monate Juli/August sein.»
Sie selbst wirkt im Turnus mit ihren zwei Kolleginnen als Einsatzleiterin: Während dieser Zeit stellt sie ihr Mobiltelefon nie ab. Summt oder klingelt es, ahnt sie, dass es «sehr, sehr eilig sein könnte».
Gerade dann ist besonnenes Handeln wichtig. Verena Hagist notiert sich Daten, Namen und Krankheit des Patienten. Das steht im Vordergrund, daneben muss sie jedoch auch ganz Praktisches wissen: Gibt es am Wohnort des Patienten etwa einen Parkplatz?
Dann sieht sie nach, wer von den freiwilligen Helferinnen möglichst nahe am Ort wohnt – ruft an und schon macht sich die Sterbebegleiterin auf den Weg. Oft unter schwierigsten Bedingungen; etwa in winterlichen Nachtstunden, wenn die Strassen eisig glatt sind.
Erreichen die Begleiterinnen ihren Zielort, wissen sie nicht, welche Situation sie antreffen werden. Können die Angehörigen friedvoll vom Sterbenden Abschied nehmen? Sind sie überfordert? Oder streiten sie miteinander?
Wie die Sterbebegleiterinnen die Stunden mit dem Patienten verbringen, wollen sie nicht be-, geschweige denn zerreden. Nur dies: Es wird ihnen nicht nur psychisch, sondern auch physisch sehr viel abverlangt.
Beispielsweise dann, wenn kein Bett vorhanden ist und sie sich unter einem Klavier ausruhen müssen. Ein Lächeln huscht über die Gesichter der drei Frauen: Eine skurrile Fussnote, gewiss.
Aber sie passt zu einem noblen Dienst am Mitmenschen, der nicht einfach so beendet wird. «Wir alle haben Rituale, wenn wir von einem Einsatz nach Hause kommen», sagen Sophia Trottmann, Rita Staubli und Verena Hagist, «sei es, dass wir eine Kerze anzünden oder eine Tasse Tee trinken.» In diesen Momenten dürfen sie sich vor Augen halten: «Es war gut, dass ich da war.»