Leitartikel
Braucht der Aargau einen «Tiger»? Die Ombudsstelle ist eine politische Wette ohne Gewinnquote

Für die Befürworter ist die geplante Ombudsstelle ein wehrhafter Tiger, der auch der Verwaltung «die Tatze geben» kann. Für die Gegner würde mit der Stelle ein teurer und unnötiger Verwaltungstiger geschaffen. Der Leitartikel zur Abstimmung am 18. Juni.

Fabian Hägler
Fabian Hägler
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Symbolisch: Für die Befürworter ist die Ombudsstelle ein Tiger im Dienst der Bevölkerung, für die Gegner ein zahnloser Verwaltungstiger.

Symbolisch: Für die Befürworter ist die Ombudsstelle ein Tiger im Dienst der Bevölkerung, für die Gegner ein zahnloser Verwaltungstiger.

Symbobild: EPA

Bei den Pferderennen in Aarau kann man wetten, bei den Spielen des eben in die Challenge League aufgestiegenen FC Baden ab nächster Saison auch. Das Prinzip bei solchen Sportwetten ist simpel: Man setzt eine gewisse Geldsumme auf ein Pferd oder den Sieg des Fussballclubs und erhält im Erfolgsfall einen per Quote festgelegten Gewinn. Wenn ein anderes Pferd das Rennen gewinnt oder der FC Baden das Spiel verliert, ist das Geld weg.

Doch im Aargau gibt es nicht nur sportliche, sondern auch politische Wetten – die Abstimmung über das Ombudsgesetz am 18. Juni ist ein Beispiel dafür. An der Urne entscheidet die Bevölkerung, ob es im Kanton eine Anlaufstelle für Beschwerden von Einwohnerinnen und Einwohnern geben soll. Wie bei den Wetten am Pferderennen oder im Fussball ist der Einsatz definiert: 700’000 bis 900’000 Franken kostet die Stelle pro Jahr.

Im Unterschied zu den Sportwetten gibt es aber keine fixe Gewinnquote, deshalb lässt sich auch der Erfolg nicht einfach messen. Die Befürworter – Mitte, GLP, EVP, SP, Grüne und Gewerkschaften – wetten darauf, dass mit der Ombudsstelle viele teure Verwaltungs- und Strafverfahren verhindert werden. Geht ihre Rechnung auf, sind die dadurch eingesparten Kosten höher als die jährlichen Ausgaben für die Ombudsstelle.

Die Gegner – SVP, FDP und der Gewerbeverband – halten die neue Stelle für zu teuer und unnötig. Sie rechnen vor, dass die anfallenden Kosten für das Personal der Ombudsstelle fix sind, der Erfolg aber höchst ungewiss. Ihre Wette geht so: Die Bevölkerung kann sich an Verwaltungsangestellte, Grossrätinnen oder Friedensrichter wenden. Damit lassen sich anfallende Probleme schon heute effizient und ohne zusätzliche Ausgaben lösen.

Im Abstimmungskampf bemühen beide Seiten tierische Vergleiche. Für die Befürworter ist die geplante Ombudsstelle ein wehrhafter Tiger, der auch der Verwaltung «die Tatze geben» kann. Für die Gegner würde mit der Stelle ein teurer und unnötiger Verwaltungstiger geschaffen. Im Voraus zu sagen, wer richtig liegt, ist fast unmöglich. Das ist auch einigen Befürwortern bewusst: die Ombudsstelle wurde im Grossen mit 73 zu 66 Stimmen angenommen, dem Referendum stimmten 72 Ratsmitglieder zu.

Das heisst: eine Mehrheit des Kantonsparlaments will das Volk entscheiden lassen. Klar ist: Um der Verwaltung und dem Regierungsrat bei Bedarf «eine Tatze zu geben», braucht es keine Ombudsstelle. Dafür gibt es den Grossen Rat als Oberaufsicht, die Finanzkontrolle, die Geschäftsprüfungskommission – und die Medien, die in ihrer Rolle als vierte Gewalt der Politik auf die Finger schauen.

Kein valables Argument sind die Kosten, die von den Gegnern ins Feld geführt werden: Knapp 1 Million Franken für die Ombudsstelle sind ein Betrag, der im Budget des Kantons kaum ins Gewicht fällt. Dass die schlanke Verwaltung mit drei bis vier neuen Stellen unmässig aufgebläht würde, trifft nicht zu. Und mehr Bürokratie bringt die Stelle höchstens für jene, die sie in Anspruch nehmen – wobei die Nutzung freiwillig ist.

Eine neue Ombudsstelle könnte unnötige Rechtsverfahren verhindern, zwischen Bevölkerung und Behörden vermitteln und das Vertrauen in die Politik stärken – diese Argumente der Befürworter können wohl viele unterschreiben. Doch zwingend nötig ist die Stelle nicht, im Aargau gibt es keine Klageflut, die Verwaltung arbeitet gut und der politische Betrieb funktioniert. Ja oder Nein zur Ombudsstelle am 18. Juni: Das ist primär eine Frage der persönlichen Beurteilung.