Liquidation
Das Elend der OVS-Mitarbeiter: Wie sieht es in den betroffenen Aargauer Filialen aus?

Keiner weiss, wie lange die belastende «Die letzten Tage»-Zeit dauern wird. Wie steht es im Dutzend betroffener OVS-Läden im Aargau? Die AZ hat versucht, sich einen Überblick zu verschaffen.

Anja Suter
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Ein Bild aus längst vergangenen, besseren Zeit: Volle Kleiderständer in einer der ursprünglicih rund 140 OVS-Filialen in der Schweiz.

Ein Bild aus längst vergangenen, besseren Zeit: Volle Kleiderständer in einer der ursprünglicih rund 140 OVS-Filialen in der Schweiz.

Foto: Claudio Thoma / Aargauer Z

Aus dem OVS im Oftringer Perry Center wird ein C&A. Gestern Abend machte das Geschäft definitiv dicht. Damit ging für die Angestellten eine sechswöchige Zeit des Hoffens und Bangens, der Ungewissheit und Verzweiflung zu Ende. Einige wenige haben Glück und werden von C&A übernommen.

Wie steht es im Dutzend anderer OVS-Läden im Aargau? Die AZ hat versucht, sich einen Überblick zu verschaffen. Offiziell gibt es keine Auskünfte mehr. Seitdem die Nachlassstundung verhängt wurde, hat ein Sachwalter das Sagen. Die verbliebenen Angestellten leben praktisch von einem Tag auf den anderen.

Genau wie die Kunden, wissen auch sie nicht, wenn ihr letzter Arbeitstag in der jeweiligen Filiale ansteht. Sie haben im Rahmen der Massenentlassung ihre Kündigung per Ende Juni erhalten. Jeden Tag, den sie weiter arbeiten können, ist ein guter Tag – weil sie etwas verdienen.

Wie sieht es in den Aargauer Geschäften aus? Zum Beispiel im Aargauer Flagship-Store an der Bahnhofstrasse in Aarau (eröffnet im Oktober 2017). Die Kosmetiktheken sind leergeräumt, mit improvisierten Absperrungen wird der Zugang zum ersten Stock versperrt und die Kleider sind zu absoluten Spottpreisen erhältlich.

Nichts steht mehr an seinem Platz. Badtücher hängen neben den Wintermänteln, Kisten voller Kleiderbügel sind am Haupteingang deponiert, wer einen mitnehmen möchte, hat meistens eine ganze Girlande von Bügeln in der Hand.

Kampf gegen Untergangsstimmung

In den Schaufenstern hängen leuchtend gelbe Plakate mit Schriftzügen wie: «Total Liquidation», «letzte Tage» und «Alles muss raus». Der Sachwalter probiert, mit den geringsten Mitteln noch einen möglichst hohen Umsatz zu erzielen. Mittendrin in der Situation, die mehr improvisiert als geplant wirkt: das Verkaufspersonal.

Trotz ungewisser Länge des Arbeitsverhältnisses beaufsichtigen sie die totale Liquidation und treiben sie voran. Sie beraten freundlich die Kunden, welche sich durch die Schnäppchen wühlen und räumen auch hinter denen auf, die während der Jagd nach spottbilligen Kleidern ein Chaos veranstaltet haben. Es entsteht der Eindruck, dass die Angestellten mit aller Macht der Untergangsstimmung der Liquidation trotzen möchten. Keine Spur von Groll oder gesunkener Arbeitsmoral – nicht nur in Aarau, sondern in allen gestern besuchten Filialen.

Der italienische Modekonzern nimmt den Slogan «Alles muss raus» sehr ernst. Nicht nur, dass ein Grossteil der Kleidung mit Rabatten von 70 Prozent markiert ist. Auch Schaufensterpuppen und einzelne Ladenelemente können für einen kleinen Preis erworben werden.

OVS hatte nach der Übernahme von Charles Vögele über 40 Millionen Franken in den Umbau und die Modernisierung der Verkaufsflächen investiert – Geld, das ganz verloren ist.