Die Finanzkommission des Grossen Rates rechnet für 2023 nicht mit einer Gewinnausschüttung der Nationalbank. Dafür fallen die Zusatzkosten für Ukraineflüchtlinge voraussichtlich deutlich tiefer aus als erwartet. Insgesamt droht dem Aargau für 2023 aber ein 300-Millionen-Defizit.
Die zuständigen Parlamentskommissionen haben das von der Regierung vorgelegte kantonale Budget 2023 fertig beraten und unterbreiten es dem Grossen Rat zur Beschlussfassung. Die Finanzkommission Kapf stimmt allen fünf Hauptanträgen der Regierung zu.
In einem sehr wichtigen Punkt weicht sie allerdings vom Antrag der Regierung ab. Diese nahm im Budget eine dreifache Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf. Sie brächte rund 160 Millionen Franken, wird aber aufgrund des historisch schlechten Geschäftsverlaufs der SNB in den ersten neun Monaten dieses Jahres voraussichtlich nicht eintreffen.
Deshalb streicht die Kommission jetzt diese 160 Millionen Franken aus dem Budget, was das erwartete Defizit von 199,8 Millionen Franken vergrössert. Ausgeglichen werden soll dies durch eine Entnahme aus der Ausgleichsreserve des Kantons, die derzeit 722 Millionen Franken schwer ist.
Keine SNB-Ausschüttung einzuplanen, da war man sich in der Kommission einig, sagt deren Präsident Stefan Huwyler (FDP). Man habe sich vom Finanzdepartement die aktuellsten Informationen erbeten. Auf dieser Basis erachte man die vorsichtige Variante «keine Ausschüttung im 2023» derzeit als die wahrscheinlichste, sagt Huwyler.
Entschieden wird im Grossen Rat am 22. November: «Bis dann wissen wir auch mehr dazu, in welche Richtung sich die Märkte entwickeln, wobei wir wissen, dass das halt erst am 31. Dezember genau feststeht. Aber wir müssen vorher entscheiden», sagt Huwyler.
Im Budget 2023 sollen die Löhne für das kantonale Personal um durchschnittlich 2,0 Prozent erhöht werden. Dies entspricht dem Antrag des Regierungsrats. Dieser basiert nebst anderen Faktoren auf einer im Juli prognostizierten Teuerung von 2,5 Prozent für 2022. In einer aktualisierten Teuerungsprognose (Stand 17. Oktober) liegt dieser Wert bei 2,9 Prozent. Es wurden entsprechend Minderheitsanträge gestellt, die eine weitere Erhöhung der Löhne fordern.
Aus der vorberatenden Kommission AVW kommt ein Minderheitsantrag für eine Erhöhung um 2,5, aber auch einer um nur 1,5 Prozent. Die beim Budget federführende Kommission Kapf lehnt (wie auch die AVW) beide Minderheitsanträge ab. Die Kapf ist mehrheitlich für die 2 Prozent der Regierung. Eine Minderheit will aber auch hier mehr geben, nämlich 2,4 Prozent. Laut Kapf-Kommissionspräsident Stefan Huwyler gab es in der Beratung auch eine Diskussion über eine tiefere Erhöhung. Eine Nullrunde (wie in früheren Jahren) sei aber nicht gefordert worden. Wobei Huwyler nicht ausschliessen kann, dass in der Grossratsdebatte doch weitere Anträge kommen könnten.
Die Kommission hat im Rahmen einer aktuellen Lagebeurteilung nicht nur beschlossen, keine SNB-Ausschüttung einzurechnen, sondern in einem Punkt auch deutlich weniger Ausgaben zu budgetieren. Seit Mitte Mai ist nämlich ein kontinuierlicher Rückgang der Zuweisungsraten von Schutzsuchenden aus der Ukraine erkennbar. Jetzt rechnet man mit einem Szenario mit deutlich weniger Neuankommenden. Damit sinken die Nettokosten im Budgetjahr 2023 um rund 58,3 Millionen Franken.
Ohne Nationalbank rechnet die Kapf mit einem Defizit von knapp 300 Millionen Franken.
Müsste es nicht mehr sein, weil die Regierung ja ein 198-Millionen-Franken-Minus budgetierte und jetzt weitere 160 Millionen fehlen?
Nein, antwortet Huwyler. «Dies, weil die Zahl der erwarteten zusätzlichen Ukraineflüchtlinge aufgrund der bisherigen Entwicklung deutlich nach unten korrigiert werden konnte. Natürlich wissen wir nicht, was die Zukunft im Ukraine-Krieg bringt und ob im Winter wieder mehr Menschen zu uns fliehen. Derzeit rechnen wir aber mit Minderausgaben in diesem Bereich für 2023 von 58,3 Millionen Franken. Deshalb beträgt das erwartete Defizit ‹nur› knapp 300 Millionen Franken, falls der Grosse Rat den Kommissionsanträgen folgt».
Wie schon in früheren Budgetdebatten werden auch diesmal aus der linken Ratshälfte Anträge kommen, das (im Aargau im Kantonsvergleich unterdurchschnittlich tiefe) tägliche Essensgeld für Flüchtlinge um einen bzw. zwei Franken zu erhöhen. Die Kommission lehnt dies aus Rücksicht auf die unsichere finanzpolitische Lage ab. Zur Veranschaulichung: Angesichts der zurzeit sehr vielen hier lebenden Geflüchteten würde ein Franken mehr täglich aufs Jahr gerechnet, den Kanton 6,5, und 2 Franken mehr würden ihn 13 Millionen Franken zusätzlich kosten.
War angesichts des drohenden Defizits für 2023 (das aus der Ausgleichsreserve gedeckt wird) in der Kommission ein Sparpaket kein Thema? Ein solches sei nicht beantragt worden, sagt Huwyler. Finanzdirektor Dieth habe aber signalisiert, dass man die Entwicklung im Auge behalte und den Grossen Rat, im Speziellen die Kapf auf dem Laufenden halte.
Sollte sich der aktuelle Trend in Richtung eines strukturellen Defizits fortsetzen, hält Huwyler es für «möglich, dass in der Kapf bereits nächsten Frühling bei der Behandlung des Jahresberichts 2022 diesbezügliche Fragen und eventuell Anträge kommen und nicht erst in der nächsten Budgetrunde im nächsten Herbst».
Huwyler ist seit sechs Jahren Mitglied der Finanzkommission, hat aber «noch nicht einmal in der Coronakrise erlebt, dass es so viel Unsicherheit aufgrund von unbekannten Grössen gab wie jetzt mit Ukraine-Krieg, Energie(preis)krise, Inflation, wieder steigenden Zinsen und weiterem mehr».