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Ein Blick auf die Beziehung von Stein und Bad Säckingen. Begonnen hat alles 1801.
Im Jahre 1801 wird der Rhein Staatsgrenze und die Holzbrücke zwischen Stein und Bad Säckingen Verbindung zwischen zwei Staaten. Trotz der Zugehörigkeit zu einem anderen Staatswesen – die guten zwischenmenschlichen, kulturellen und politischen Beziehungen zwischen den Gemeinden bleiben weiterhin bestehen. Im Folgenden sollen die Entwicklungen von Stein und Bad Säckingen aufgrund der Grenzziehung skizziert werden.
In den ersten Jahren bemühen sich der Badische Staat und der Kanton Aargau durch Verträge, die mit der Grenze und mit der Auflösung des Säckinger Stiftes zusammenhängenden Probleme, zu regeln. Für das Alltagsleben hat die Grenze kaum Auswirkungen. Vom Säckinger Stift abgetrennt und der Eidgenossenschaft zugeschlagen zu werden, löst bei den Bewohnern auf Schweizer Seite nicht nur Begeisterung aus. Der Wechsel ist verbunden mit der Angst vor einer ungewissen Zukunft und der Abschaffung vieler sozialer Errungenschaften, die die österreichische Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Josef II. einführten, wie beispielsweise die Gebäudeversicherung.
Die Hoffnung unter der Eidgenossenschaft, von kriegerischen Auseinandersetzung verschont zu bleiben, erfüllt sich allerdings bis zum heutigen Tag. Unter der österreichischen Herrschaft herrscht hingegen mehr als die Hälfte der Zeit Krieg.
Die zwischenmenschlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen beidseits des Rheins fördern, trotz Hindernissen durch die Verwaltungen, weiterhin die Schliessung von Ehen über die Grenzen hinweg. Begehrt bei den Steiner Burschen sind Mädchen aus dem Schwarzwald, da sie als begütert und arbeitsam gelten. Geschlechter in Stein, wie beispielsweise der Name Hofmann, sind Ausdruck dieser Tradition.
Wirtschaftlich entwickeln sich Stein und Säckingen nach der Trennung unterschiedlich. Landwirtschaft in Stein zu betreiben war aufgrund der unfruchtbaren Kiesböden nicht sehr rentabel. Trotz gut ausgebauter Verkehrswege bleibt in Stein eine Ansiedelung von Industrie aus, obwohl bis zum Bau der badischen Landstrasse von Grenzach nach Laufenburg (1812 bis 1818) der gesamte Verkehr auf Schweizer Seite verläuft. Dagegen nimmt Säckingen einen grossen wirtschaftlichen Aufschwung, der sich in einem Anstieg der Einwohnerzahl niederschlägt.
Durch den Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein gründen Schweizer Industrielle aus fiskalischen Gründen Firmen oder Niederlassungen auf deutscher Seite. Dazu gehört beispielsweise die Seidenstoff- und Bandfabrik F. U. Bally. Von den 375 Steiner Einwohnern arbeitet um 1850 der überwiegende Teil der Nichtselbstständigen in der Textilindustrie auf badischer Seite. Oft legen die Arbeiter bis zu drei Stunden Fussmarsch bis zum Arbeitsplatz zurück. Dass manche Arbeiter aus der Schweiz den Wohnsitz in Säckingen wählen, liegt nahe. So sind um 1900 von den 4034 Bewohnern in Säckingen 483 Schweizer Staatsangehörige.
Die Inhaber der Mitte des 19. Jahrhunderts in Stein bestehenden 15 Geschäfte und acht Wirtschaften sind auf die in Säckingen wohnende auswärtige Kundschaft angewiesen. In täglichen Wallfahrten holen die Badener billigen Kaffee, Zucker, Tabakwaren und Reis. Offizielle Währung war der Schweizer Franken. Da der grösste Teil der Bevölkerung auf deutscher Seite beschäftigt ist und den Lohn in Reichsmark erhält, war die deutsche Währung auch auf Schweizer Seite Zahlungsmittel.
Weiterhin beliefern die Schweizer Bauern den Säckinger Wochenmarkt. Im Gegenzug kaufen sie Waren des täglichen Bedarfs. Der Schmuggel blüht schon damals. Neue Schuhe bestäubt man beispielsweise mit Mehl, um sie als gebraucht zu tarnen und unbehelligt über die Grenze zu schmuggeln.
Noch bis nach dem Ersten Weltkrieg, 1914 bis 1918, kann die Grenze ohne Pass überschritten werden. Nach dem Krieg und Inflation suchen sich beide Länder infolge der Krisenerscheinungen wie Arbeitslosigkeit zu schützen. Grenzkarten und Arbeitsbewilligungen sind die Folge. So orientiert sich Stein wirtschaftlich zum Schweizer Hinterland: Neues wirtschaftliches Zentrum wird Frick. Nachdem die Schweizer Nachbarschaft jahrzehntelang die Armen waren, sind sie jetzt die Reichen.
Eine Herausforderung für die Beziehungen der beiden Staaten stellt die Revolution von 1848/49 dar. Die Schweiz schätzt das liberale Gesellschaftssystem; in Baden dagegen wird versucht, die Monarchie aufrecht zu erhalten. In dieser liberalen Gesinnung der Schweizer Seite finden schon immer Demokraten Zuflucht. Eine der prominentesten Flüchtlinge, der am 21. April 1848 die Holzbrücke überquert, ist der radikale Demokrat Gustav Struve.
Die benachbarten Grenzorte von Laufenburg bis Rheinfelden spielen für die Aufständischen als Zufluchts-, Versammlungs-, sowie Ausgangsort neuer auf badischer Seite geplanten Aktionen eine bedeutende Rolle. Neben Protesten reagiert das preussische Militär als Besatzungsmacht mit der Errichtung eines Tores am Brückenkopf der Holzbrücke, das pünktlich abends um 22 Uhr geschlossen wird. Überhaupt regieren die preussischen Soldaten in Säckingen mit harter Hand. Opfer des preussischen Militärs wird der wohl bekannteste Ehrenbürger von Säckingen, Joseph Victor von Scheffel. Er bekommt bei seiner Verhaftung im Goldenen Knopf wegen Überschreitung der Sperrstunde die harte Hand preussischer Soldaten zu spüren.