In der Zentrumsbibliothek Mutschellen und in der Schul- und Gemeindebibliothek Niederwil gibt es neu Saatgut-Bibliotheken. Wie eigenes Saatgut gewonnen werden kann, das erklärte Nicole Egloff von Pro Specie Rara am Dienstag in einem Workshop in Widen.
In der Präsentation ist ein abgebildeter Becher mit Tomatensamen im trüben Wasser zu sehen. Nicole Egloff, Medienverantwortliche von Pro Specie Rara, sagt: «Das vergorene Wasser riecht vielleicht nicht mehr so gut.» An dieser Stelle lachen die Zuhörenden. «Aber», fährt sie schmunzelnd fort, «diese Methode reinigt die Samen gründlich von Pflanzenrückständen, und das beugt Krankheiten vor.» Aufmerksam hören ihr die Workshop-Besuchenden zu, die erfahren möchten, welche Saaten sich auf welche Weise vermehren lassen.
Gut zwanzig Personen haben sich dafür in der Zentrumsbibliothek Mutschellen eingefunden. Bei der Vorstellungsrunde zeigt sich, es ist eine buntgemischte Gruppe. Viele haben einen eigenen Garten und bauen gern Obst und Gemüse an. Einige haben noch gar keine Erfahrung, sind aber neugierig auf das Thema.
Der Hintergrund für den Workshop sind die neu eingerichteten Saatgut-Bibliotheken in den Bibliotheken Mutschellen, Niederwil und Mellingen. Während ihrer Ausbildung zu Bibliothekarinnen bei Biblio Suisse haben Claudia Schellenberg, Andrea Wagenhofer und Edith Schwarz zusammen an einem Projekt zu dieser Thematik gearbeitet. Ihr Ziel war es, in ihren jeweiligen Einrichtungen eine Saatgut-Bibliothek anzubieten.
Das vernetzte Vorhaben sei ein Beitrag zur Nachhaltigkeitskampagne Biblio 2030 und solle zudem die Biodiversität fördern. Auf ihren Websites informieren die beteiligten Bibliotheken: «In der Saatgutbibliothek kann jeder Sämereien deponieren und mitnehmen. Sie funktioniert als freies und unentgeltliches Tauschsystem. Die Saatgutbibliothek ermöglicht, verschiedene Sorten auszuprobieren und Neues zu entdecken.»
Claudia Schellenberg, Bibliothekarin in Widen, führt aus: «Für mehr Hintergrundwissen hielten wir Workshops für alle, die daran Interesse haben, für sinnvoll.» So sei es zum Kontakt zu Pro Specie Rara gekommen. Die 1982 gegründete Stiftung bemüht sich darum, gefährdete Kulturpflanzensorten und Nutztierrassen vor dem Aussterben zu schützen.
«Seit dem letzten Jahr fragen vermehrt Bibliotheken wegen Workshops an», teilt Nicole Egloff mit. Die Freude am Gärtnern wachse, nicht nur auf dem Land, sondern auch in Städten. Sie stellt fest:
«Gärtnern gilt mittlerweile als cool.»
Die Vermehrung des Saatguts sei oft der nächste Schritt.
Zunächst berichtet Nicole Egloff, dass der Markt für Saatgut von einigen sehr wenigen Produzenten beherrscht werde, was unweigerlich zu einer schwindenden Sortenvielfalt führe. «Weniger Vielfalt ist nicht unproblematisch», merkt sie an. Grössere Vielfalt bedeute einen grösseren Gen-Pool, das sei hilfreich, um Pflanzen beispielsweise an klimatische Veränderungen anpassen zu können.
Schliesslich geht es konkret an die Saatgut-Vermehrung. Schwierig seien Kürbisse, Gurken und weitere fremdbefruchtende Arten. Für diese gebe extra Samenbaukurse, die über vier Tage gehen. Egloff erklärt: «Selbstbefruchtende Arten wie Tomaten, Kopfsalat, Bohnen oder Erbsen eignen sich gut zum selbst vermehren.»
Da es von jeder Sorte einige Pflanzen brauche, für Bohnensorten beispielsweise 30, sei es sinnvoll, nicht alle Sorten, die man anbauen möchte, selber zu vermehren, sondern sich zu spezialisieren und mit Gleichgesinnten Saatgut auszutauschen. Sie «Der Zeit- und Platzbedarf ist nicht zu unterschätzen», begründet sie ihre Aussage. Die Pflanzen müssten regelmässig beurteilt und selektiert werden. Und sie sagt:
«Vermehrung heisst immer auch Selektion, deshalb sollte mit einer genügend grossen Anzahl von Pflanzen gestartet werden.»
Hinzu komme bei einigen Arten das Aufbinden, die Ernte sowie die Reinigung der Samen.
Die Samen der eingangs erwähnten Tomate werden mit dem trüben Wasser in ein Sieb gegossen. Die Medienverantwortliche erklärt zum weiteren Vorgehen: «Dann werden die Samen vorsichtig sauber gerieben. Wenn sie feucht sind, keimen sie schnell. Deshalb sollten sie rasch getrocknet werden. Dafür eignen sich Tee- oder Kaffeefilter gut.» Anschliessend wandern die Samen in eine dafür vorgesehen Tüte und vielleicht in eine der Saatgut-Bibliotheken.
Ein weiterer Workshop der Bibliotheken Niederwil und Mellingen findet am 1. März um 19 Uhr in Mellingen statt. Weitere Informationen unter www.zbmutschellen.ch/pages/saatgutbibliothek.php und www.prospecierara.ch.