Männer aus der Wohler Oberschicht entwickelten vor 200 Jahren das organisierte Schiessen im Dorf. Der Höhepunkt ihrer Vereinstätigkeit war das «Kantonale» von 1899. Doch es gibt auch andere Anekdoten, die erhalten geblieben sind.
Vor 200 Jahren gründeten Schützen aus der Wohler Oberschicht die Schützengesellschaft Wohlen. Besonders in der Familie Isler sei die Jagdleidenschaft bekannt gewesen, schreibt Historikerin Anne-Marie Dubler in der Wohler Ortsgeschichte. Im ersten Protokoll waren verschiedene Isler verzeichnet, auch Ratsherr Johann Isler, der sich in mehreren führenden Stellen betätigte.
Die kantonale Militärorganisation bestimmte 1804 Wohlen als Übungsplatz der Scharfschützen. Es wurde auf mehreren Plätzen geschossen. Dabei bestand die Gefahr, dass sich umstehende Personen verletzen konnten. Deshalb mussten Schützenhäuser gebaut werden.
Auch Wohlen beeilte sich, dieser Pflicht nachzukommen. 1824 stand im Gemeindebann Junkholz, südlich von Wohlen, das erste Schützenhaus. Die Scheiben waren gegen den Reckholderhübel ausgerichtet. Erster Schützenmeister war Leonhard Isler, sein Stellvertreter war Johann Isler.
Der 16. September 1827 war der erste Schiesstag. Am ersten Jahrestag der Gesellschaft stiftete Leonhard Isler eine Fahne. Pfarrer Josef Keller verfasste die Inschrift: «Der Freude und der Tapferkeit gewidmet.»
1823 schlug Fürsprech Peter Bruggisser vor, die Gesellschaft solle das Eidgenössische Schützenfest in Luzern besuchen. Nicht protokolliert wurde, ob daraus etwas geworden ist oder ob sie 1834 ans Schützenfest nach Zürich reisten. Im gleichen Jahr wollten die Schützen die Bürger für die Idee gewinnen, das Schützenhaus näher am Dorf aufzustellen. Das wurde abgelehnt.
1838 legte ein Sturm das Schützenhaus im Junkholz um, worauf die Gemeinde beschloss, das Holz des Hauses zu versteigern. 1839 kursierte der Vorschlag, das Schützenhaus im Gyrenhübel aufzustellen. Das stiess aber auf Schwierigkeiten. Ein provisorischer Schiessstand solle sofort errichtet werden, beschlossen die Schützen.
Am 6. Juni 1841 wurde die Schützengesellschaft gerettet. Peter Isler, Bierbrauer und Eigentümer des Bruggisser- oder Tokterhauses an der Niederwilerstrasse 1, half der Gesellschaft. Er bot den Schützen an, den neuen Schiessstand in direkter Nachbarschaft zu seiner Scheune zu erstellen. Diese gehörte mit der Kegelbahn zu seinem Haus, in dem sich im ersten Stock eine Wirtschaft samt Tanzsaal befand.
Peter Isler wollte dafür nur die Schützenwirtschaft in den nächsten zehn Jahren betreiben. Die Schützen stimmten zu, und so wurde gegen Anglikon gefeuert, auf 200 Schritt Distanz. Der Name des Restaurants Schützenhof an der Anglikerstrasse erinnert noch heute an den Schiessbetrieb bei Islers Haus.
Doch eines Tages wurde eine Kuh erschossen. Das rief die kantonalen Beamten auf den Plan. Der Schiessbetrieb musste eingestellt, konnte aber in den Allmen weitergeführt werden.
1842 zählte die Gesellschaft 40 Mitglieder, zehn Jahre später bereits 50. 1853 wurde das erste Grümpelschiessen durchgeführt. 1856 erstellte man eine Scheibe besonders für Feldstutzer. Schon 1860 existierte neben der bestehendenden Standschützengesellschaft die Feldschützengesellschaft. Die Feldschützen blühten auf. Dagegen zählten die Standschützen immer weniger Mitglieder.
Der Versuch, die Gesellschaften zu fusionieren, scheiterte. So wurde die Standschützengesellschaft 1868 aufgelöst. Das Vereinsvermögen von 1248.15 Franken ging im Bezirksschulfonds auf. So unterstützte eine Schützengesellschaft für einmal die Schulbildung.
1899 erlebte die Gesellschaft ihren Höhepunkt: das Kantonale Schützenfest in Wohlen. Das Organisationskomitee unter dem späteren Regierungsrat Hermann Huber war voller Tatendrang. Das OK stellte sich in Baden hinter dem Kasino dem Fotografen. Das Bild befindet sich heute noch im Schützenhaus.
In den Allmen stellte man eine grosse Halle auf, in der sich Gäste und Schützen stärken konnten. Der Gabentempel für die besten Schützen, lauter Männer, hatte einen Wert von 90'000 Franken. Jeden Tag erschien eine Festzeitung.
1947 hatte man in den Allmen nach den Plänen des Wohler Architekten Jakob Gretler ein neues Schützenhaus gebaut. Es wurde am «Kantonalen» eingeweiht. Durch die Fusion des Militärschiessvereins und der Schützengesellschaft entstand 1974 die Standschützengesellschaft. Diese überlebte ein Vierteljahrhundert.
2004 wurde der 300-Meter-Schiessstand nach erbittertem Widerstand der Schützen und dem gescheiterten Versuch, den Stand zu verlegen, endgültig aufgehoben. Die Schiesstradition musste dem Wunsch der Anwohner nach Ruhe weichen.