Brugg
Passantin sogar am Arm gepackt: Fundraiser werben immer offensiver

Passanten fühlen sich in der Bahnhofunterführung wiederholt von Spendensammlern belästigt, suchen teilweise Umwege um diesen aus dem Weg zu gehen. Die verantwortliche Firma versuche nun, die störenden Personen darauf hinzuweisen.

Timea Hunkeler
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Am Bahnhof Brugg soll ein Fundraiser eine Passantin am Arm gepackt haben.

Am Bahnhof Brugg soll ein Fundraiser eine Passantin am Arm gepackt haben.

Die 62–jährige Elsbeth Schnell ist aufgebracht. Als sie vergangene Woche in Brugg unterwegs war, wurde sie von einer Angestellten der Schweizer Fundraising Agentur Corris AG angesprochen und aufgehalten. Laut eigenen Aussagen wurde Schnell sogar am Arm gepackt. Sie gab der Angestellten des Pro-Infirmis–Standes zu verstehen, dass sie zum Arzt müsse und deshalb keine Zeit habe. Nach dem Arztbesuch wurde sie jedoch erneut von den Mitarbeitern des Pro-Infirmis-Standes angesprochen. Der Vorfall ereignete sich vor der Migrolino-Filiale bei der Unterführung «Mausloch», wie sie aufgrund der Verengung, genannt wird.

Elsbeth Schnell stellt fest, dass immer häufiger Organisationen wie Pro Infirmis ihre Stände aufbauen dürfen. Dass diese um Spenden bitten, kann die Lupfigerin verstehen. Einzig die offensive Kommunikationsweise findet sie «arrogant». Immer häufiger geht die 62–Jährige deshalb auch Umwege, um den Spendensammlern an den Ständen nicht über den Weg laufen zu müssen.

Laut Bernhard Bircher-Suits, Leiter Marketing und Communications des Unternehmens Corris AG, und dessen Geschäftsleitung Baldwin Bakker, ist eine aggressive Auftrittsweise gegenüber Passanten nicht im Interesse des Unternehmens. «Den Vorfall bedauern wir sehr.» Es werde grossen Wert auf die richtige Kommunikationsweise gelegt. «Nein ist nein. Das lernen alle Dialoger in unseren Schulungen. Anfassen ist ein absolutes No-Go», erklärt Bircher. Eine solche Schulung besteht jeweils aus einer ersten Einführung. Dabei müssen die Bewerber ein Gespräch an einem Infostand nachspielen. Danach wird selektiert. Zudem erhalten die Auserwählten im Anschluss eine bezahlte Schulung durch das gewünschte Hilfswerk. Mittels der Sammlung von Live-Daten mit iPads werden die Fundraiser kontrolliert. Dabei wird die Storno-Quote beobachtet. Es wird ermittelt, welche der neu abgeschlossenen sowie der bereits bestehenden Verträge wieder storniert werden. Ist diese Zahl zu hoch, wird ein Gespräch mit dem betreffenden Angestellten veranlasst. Ebenfalls wird den neuen Fundraisern ein Coach zur Seite gestellt.

Wenig Reklamationen

Bei Reklamationen von Passanten wird zuerst bei den Mitarbeitern nachgefragt und gegebenenfalls eine Nachschulung des Angestellten gemacht. Zudem wird die Person verwarnt. In besonderen Fällen kommt es sogar zur Kündigung. Ausserdem betont Bernhard Bircher, dass das Unternehmen immer mit Bewilligungen arbeitet. Diese gelten im Durchschnitt für einen Tag und werden, «mal weniger mal mehr» erteilt. Jene für den Pro-Infirmis-Stand in Brugg erhält Corris von den SBB. Das Unternehmen versuche jedoch, insbesondere bei der Standortplanung darauf zu achten, dass sich die Stände jeweils jeden Tag an einem anderen Ort befinden. «Damit die Leute nicht denken, wir seien immer da», sagt Bernhard Bircher-Suits. Schliesslich würden sich unzufriedene Kunden auch auf den Umsatz auswirken. Er betont, dass es relativ wenig Reklamationen gibt. «Standaktionen für Hilfswerke stossen auf eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung», erklärt auch Geschäftsleiter Baldwin Bakker. Der Vorfall mit Elsbeth Schnell ist ein «Einzelfall», beteuert Bircher–Suits.

Dennoch werde der Sache nachgegangen. Kann ermittelt werden, um welchen Mitarbeiter es sich handelt, kommt es zu einem Gespräch. Ausserdem entschuldige sich das Unternehmen Corris sowie das Hilfswerk jeweils bei der betroffenen Person. Von den SBB erhielt die az auf Anfrage bis heute keine Rückmeldung.