Studie des KSB
Ärzte verschreiben zunehmend starke Schmerzmittel wie Opioide – auch bei leichten Verletzungen

Leichte Verletzung, starke Medikamente: Ein Forschungsteam untersuchte Daten von rund zwei Millionen Unfällen, und kam dabei zum Schluss, dass Schweizer Ärzte und Ärztinnen ihren Patienten zunehmend Opioide verschreiben.

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Opioide bergen die Gefahr des Missbrauchs und der Abhängigkeitsentwicklung. (Symbolbild)

Opioide bergen die Gefahr des Missbrauchs und der Abhängigkeitsentwicklung. (Symbolbild)

Bild: Shutterstock

Dass die Verschreibung von Opioiden in den vergangenen zwanzig Jahren in der Schweiz stark zugenommen hat, ist bekannt. Eine neue Studie zeigt aber: Diese Medikamente werden nicht nur bei Tumorschmerzen, sondern zunehmend auch bei geringfügigen Verletzungen des Bewegungsapparates verschrieben.

Dieser Trend lässt sich aus den Daten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) herauslesen. Insgesamt hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Maria Wertli, Chefärztin für Innere Medizin am Kantonsspital Baden (KSB), 1’921’382 Arbeitsunfälle ausgewertet, die in die Rubrik «muskuloskelettale Verletzungen» fallen. Dazu zählen Brüche, Prellungen, Verstauchungen oder oberflächliche Verletzungen.

Nicht wirksamer als andere Schmerzmittel

Das Forschungsteam, in dem Vertreter der Universität Bern, des Inselspitals, der Berner Fachhochschule, der SUVA sowie des KSB mitgewirkt haben, stellte fest, dass die Zunahme von starken Opioiden bei den Verletzungen in unterschiedlichen Schweregraden vergleichbar ist.

Demnach beträgt der Anstieg bei schweren Verletzungen 88,3 Prozent und bei den leichten Verletzungen 91,4 Prozent. Das ist insofern bedenklich, als dass Opioide bei muskuloskelettalen Schmerzen nicht wirksamer sind als andere Schmerzmittel, jedoch oft unerwünschte Nebenwirkungen nach sich ziehen. Diese reichen von kognitiven Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Schläfrigkeit, über Übelkeit bis hin zur Schmerzüberempfindlichkeit. Hinzu kommt die Gefahr der Opioidabhängigkeit.

Doch nicht nur Opioide, sondern auch andere starke Schmerzmittel wurden gemäss Studie öfter verschrieben: «Wir beobachteten zwischen 2008 und 2018 selbst bei leichten Verletzungen einen überproportionalen Anstieg der Verschreibungen von Metamizol, starken Opioiden und Coxiben», schreiben die Autoren in ihrer Studie. Die Zunahme von Metamizol bei leichten Verletzungen beträgt ganze 390,6 Prozent.

Schweiz zählt zu den vier grössten Verschreibern von Opioiden

Gemäss Analysen, die auf Konsumentendaten basieren, gehört die Schweiz weltweit zu den vier grössten Verschreibern von Opioiden. Zum Vergleich: In den USA lag die definierte Tagesdosis zwischen 2010 und 2012 pro 100’000 Personen bei weit über 50’000 und in Kanada bei 30’000. Die Schweiz hatte mit rund 20’000 eine vergleichbare Rate mit Deutschland, Österreich und Dänemark. Die Studie fügt jedoch an, dass die hohen Raten in den USA und in Kanada auch mit der dort wütenden Opioid-Krise in Verbindung stehen. Eine solche Krise wurde in der Schweiz bislang noch nicht beobachtet.

Bemerkenswert ist, dass starke Opioide und Metamizol vor allem in der Deutschschweiz und weniger stark in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz verwendet werden. Als Grund für den breiteren Einsatz von Opioiden nennen die Studienautoren eine «liberalere Verschreibungspraxis». Opioide sollen aber laut Empfehlungen auf Fälle von schweren Verletzungen oder Unverträglichkeit der Erstlinientherapie beschränkt werden. (has/wue)