Baden
Knatsch um ein neues Kreuz auf dem Kreuzliberg

Der Badener Quartierverein Kreuzliberg lässt auf seinem Hausberg ein neues Gipfelkreuz aufstellen – weshalb das Widerstand auslöst.

Andreas Fahrländer
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Auf der «Carte Generale de la Comté de Bade» des Würzburger Kartografen Johann Adam Riediger aus dem Jahr 1733 erkennt man auf der «Mezgerflue», dem heutigen Kreuzliberg, sogar ein Doppelkreuz.

Auf der «Carte Generale de la Comté de Bade» des Würzburger Kartografen Johann Adam Riediger aus dem Jahr 1733 erkennt man auf der «Mezgerflue», dem heutigen Kreuzliberg, sogar ein Doppelkreuz.

Eigentlich sollte pünktlich zur Badenfahrt im August auf dem Kreuzliberg ein Gipfelkreuz stehen. Der Quartierverein Chrüzliberg wandte sich im Februar mit einem Schreiben an den Badener Stadtrat, mit dem Wunsch, auf dem Hausberg über dem Quartier wieder ein Kreuz aufstellen zu dürfen. Ein solches sei bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts hier gestanden und habe dem Berg seinen Namen gegeben. Wann es verschwand, weiss niemand genau.

Zur Badenfahrt wollte der Quartierverein jedenfalls einen Beitrag zum Motto «Versus» leisten: «Unten die geschäftige, lebendige, feiernde Stadt, oben auf dem ruhigen Berg wie einst das stolze Kreuz», wie es im Schreiben an den Stadtrat heisst. Ein anonymer Geldgeber aus dem Quartier will die Kosten für das fünf Meter hohe Kreuz übernehmen.

Doch daraus wurde vorerst nichts: Ortsbürgerin Isabelle Wanner findet das Kreuz völlig deplatziert. Sie erhob Einsprache gegen das Baugesuch, denn der geplante Standort für das Kreuz liegt im Ortsbürgerwald. In ihrer Einsprache an den Stadtrat schreibt Wanner: «Religiöse Wahrzeichen sind heute in Anbetracht der Trennung zwischen Kirche und Staat auf öffentlichem Grund unangebracht.»

Die Sage vom Kreuzliberg

Der Stadtrat schreibt in seinem Entscheid: «Ein Kreuz stand früher einmal auf dem Chrüzliberg. Es war eine Erinnerung an den Mord im Teufelskeller und hatte keinen religiösen Hintergrund.» Glaubt man der Sage, dürfte das nicht ganz stimmen. In den «Deutschen Sagen» der Brüder Grimm nämlich wird die Herkunft des Kreuzes mit einer Königstochter erklärt, die «auf einer Burg in der Nähe von Baden im Aargau» lebte.

Die Prinzessin kam oft auf den nahen Berg, der von Geistern und Teufeln bewohnt war. Nach einem Unwetter tat sich die Erde auf und die Königstochter wurde von den Geistern und Teufeln in ein Ungeheuer verwandelt – daher der Name Teufelskeller. Durch ein Wunderbild, das man aus dem nahen Kloster holte, wurde sie aus diesem Zustand wieder erlöst. Auf den Gipfel des Berges setzte man ein Kreuz, der deshalb seither Kreuzliberg heisse.

«Ein fundamentalistischer Akt»

Das Kreuz als religiöse Manifestation sei ein fundamentalistischer Akt und als Positionszeichen zur Orientierung sei ein Kreuz heute überflüssig. Isabelle Wanner findet zudem, wenn die Geschichte mit einem Kreuz heraufbeschworen werden solle, dann müsste auch dementsprechend auf dem Galgenbuck in Dättwil ein Galgen aufgestellt werden. Wanner stört es, dass das Kreuz bei keiner Versammlung der Ortsbürgergemeinde traktandiert wurde.

Ruth Sulzer, die Präsidentin des Quartiervereins Chrüzliberg, findet dagegen: «Ist es nicht schön, wenn sich Menschen für die Vergangenheit interessieren? Warum heisst der Berg Kreuzliberg, und weit und breit ist darauf kein Kreuz zu finden?»

Auch im Buch «Die Badenfahrt» von David Hess von 1817 finde man das Kreuz, sagt Sulzer. Mit diesem geschichtlichen Hintergrund sei die Idee aufgekommen, dass das Quartier wieder ein Kreuz auf dem Berg haben möchte. Bei Hess kann man nachlesen, dass früher auch der Martinsberg Kreuzliberg genannt wurde. Der heutige Kreuzliberg dagegen heisst bei Hess, wie auf alten Landkarten, Metzgerfluh. Sowohl der Martinsberg als auch die Metzgerfluh trugen früher ein Kreuz – und hiessen deshalb im Volksmund Kreuzliberg.

«Konfessionell neutral»

Um sich in der Frage zu einigen, traf sich Isabelle Wanner Anfang August mit Vertretern des Quartiervereins: ohne Ergebnis. Wanner vermutet hinter dem Kreuz rechtskonservative Kreise.

Der Quartierverein räumt in seinem Antrag an den Stadtrat ein, dass das Kreuz vorab ein christliches Symbol sei. Darüber hinaus könne es aber alle gläubigen Menschen ansprechen. Der vertikale Balken symbolisiere das stete Streben des Menschen nach oben, der horizontale Querbalken weise auf die Grenzen dieses Strebens hin. Und über allem gebe es «eine Macht und Raum, die der menschlichen Einflussnahme entzogen» seien.

Ruth Sulzer sagt: «Die Errichtung eines Gipfelkreuzes wurde im Vorstand des Quartiervereins eingehend diskutiert.» Sulzer betont, dass sich der Quartierverein gemäss Statuten politisch und konfessionell streng neutral verhalte. Die Kosten für den Unterhalt des Kreuzes will der Verein übernehmen. Herstellen soll es die Fislisbacher Zimmerei Peterhans Schibli – aus Eichenholz aus dem Badener Wald.

Dem dürfte nun nichts mehr im Weg stehen. Der Stadtrat entschied Mitte August, dass Isabelle Wanner mangels Legitimation nicht einspracheberechtigt sei. Sie wohne zu weit weg vom Kreuzliberg, es gebe deshalb keine besondere Betroffenheit. Ruth Sulzer sagt, das Kreuz werde sicher noch dieses Jahr aufgestellt: «Ich würde mich freuen, wenn das im Dezember, zum Beispiel im Rahmen einer kleinen Waldweihnachtsfeier, geschehen würde.»