Eisbaden
«Ich wurde süchtig»: Würenloser betreibt in Arosa die erste Eisbadi Europas

David Knittel führt seit vergangenem Winter eine Eisbadi in Arosa. Der gebürtige Würenloser spricht über den aufkommenden Trend Eisbaden, wie er 100'000 Franken sammelte und dass er rund 400 Personen bei ihrem ersten Mal begleitet hat.

Nicolas Blust
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Von der Eisbadi am Untersee hat man einen wunderschönen Ausblick auf Arosa.

Von der Eisbadi am Untersee hat man einen wunderschönen Ausblick auf Arosa.

zvg

Um 7 Uhr morgens trifft sich David Knittel mit seinen Freunden am Untersee in Arosa. Der gebürtige Würenloser, der im Sommer in Bern und im Winter in Arosa lebt, schneidet ein Loch in die Eisdecke des Sees und taucht in das kühle Nass ein. Das nennt sich Eisbaden, und es erfreut sich stark ansteigender Beliebtheit.

«Ihr spinnt doch», sagt Knittel, als er vor zwei Jahren zum ersten Mal vom Hobby seiner Freunden erfährt. Trotzdem probiert er es selbst aus. Und er findet Gefallen am Bad im eisigen Wasser: «Ich wurde fast etwas süchtig.»

Was ist Eisbaden?

Als Eisbaden gilt das Baden im Wasser, das maximal fünf Grad warm ist. Nach wenigen Minuten stösst der Körper mehrere Hormone wie beispielsweise Dopamin und Serotonin aus. Die Folge ist ein regelrechtes Glücksgefühl. Ausserdem schüttet der Körper im kalten Wasser grosse Mengen an Adrenalin aus, die dann wieder abgebaut werden. Das Nervensystem bewirkt in der Folge einen Zustand der Ruhe.

Eisbaden hilft auch gegen Schmerzen. Durch den Schmerzreiz, den die Kälte auslöst, werden die übrigen Schmerzen quasi blockiert. Dieser Effekt hält jedoch nicht ewig an. Der Körper schüttet zusätzlich Schmerzhemmer aus, deren Wirkung noch über mehrere Stunden spürbar ist. Ausserdem kann das Kältebad dabei helfen, Gewicht zu verlieren und das Immunsystem zu stärken.

Während Corona pilgert Knittel, der vor 15 Jahren das erste Mal im Winter in Arosa als Saisonnier arbeitete, fast jeden Morgen an den Untersee und richtet sich seinen Badeplatz ein. Plötzlich bemerkt er, dass im Verlauf des Tages weitere Personen seinen Einstieg in den vereisten See zum Baden benutzen. So entstand die Idee, einen öffentlichen Badeort zu eröffnen.

Crowdfunding wird zum Vollerfolg

David Knittel, geboren in Würenlos und Gründer der Eisbadi Arosa.

David Knittel, geboren in Würenlos und Gründer der Eisbadi Arosa.

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Schnell kommen dem 35-jährigen Lehrer, der im Sommer in Bern unterrichtet, weitere Ideen für seine Eisbadi. Doch wie sollen diese finanziert werden? Knittel gründet im Sommer 2021 den Verein Eisbadi Arosa und startet ein Crowdfunding – mit Erfolg. Insgesamt 150 Personen unterstützen den Verein. Mit der Hilfe lokaler Verbände kommen 100'000 Franken zusammen.

Damit bauen David und sein Team zusammen mit einer Schreinerei einen Sauna-Wagen. Pünktlich zur Hauptsaison zwischen Weihnachten und Neujahr öffnet die Eisbadi, die erste in Europa, am 27. Dezember 2021 ihre Türen. Dass sich das Bad in der Folge grosser Beliebtheit erfreut, überrascht selbst Knittel. Rund 100 Leute nutzen im ersten Winter täglich den Einstieg in den Untersee.

Von der Eisbadi am Untersee hat man eine schöne Aussicht auf Arosa.
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Der Verein «Eisbadi Arosa» bietet auch Workshops für Gruppen an, die das erste Mal im eisigen Wasser baden gehen.
Gegründet wurde die Eisbadi Arosa von David Knittel, der in Würenlos aufgewachsen ist.
Der selbst gebaute Saunawagen ist gleich neben dem Untersee aufgestellt.
Ein ganz spezielles Erlebnis ist das Vollmond Fackelbaden, dass jeden Winter mehrmals stattfindet.
Der Blick aus der Sauna auf den verschneiten Untersee.

Von der Eisbadi am Untersee hat man eine schöne Aussicht auf Arosa.

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Aller Anfang ist schwer

Eisbaden ist nicht frei von Risiko. Der Körper muss sich zuerst an solch tiefe Temperaturen gewöhnen. Darum empfiehlt Knittel, sich schrittweise an das Baden in kaltem Wasser heranzutasten. Kalte Duschen seien ein guter Start, um den Körper für das Bad im Eis vorzubereiten. Dabei müsse vor allem auch die Atmung geübt werden.

Ausserdem müsse man sich von der Vorstellung verabschieden, dass Eisbaden etwas Angenehmes sei. Vielmehr gehe es darum, den Körper in eine unangenehme Situation zu bringen und diese auszuhalten. Nach etwas mehr als einer Minute im kalten Wasser beginnt der Körper, Energie zu sparen. Der Puls sinkt und ein Gefühl der Ruhe kehrt ein.

Knittel beschreibt diesen Zustand so: «Du bist wach, aber es gibt eine Entspannung, eine innere Ruhe.» Nach dem eisigen Bad setzt ein wohlig warmes Gefühl im Oberkörper ein, da die Durchblutung stark angeregt ist.

Alleine Baden ist nicht ratsam

Wer zum ersten Mal in eiskaltem Wasser badet, sollte das nicht alleine tun. Und keine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben. «Es ist weniger gefährlich, als man denkt», sagt Knittel. Seine 67-jährige Mutter hielt es bereits beim ersten Eisbade-Workshop eine Minute im kalten Wasser aus.

Wer sich langsam an das Eisbaden herantasten will, kann in der Eisbadi Arosa einen Workshop buchen. Dabei lernt man zuerst die richtige Atmung und steigt dann kurz in das Eiswasser. Mittlerweile hat Knittel rund 400 Personen bei ihrem «ersten Mal» begleitet. Bislang kam es erst einmal vor, dass jemand Probleme mit dem Kreislauf bekam.

Auch dieses Jahr fanden bereits mehrere Workshops statt. Das Interesse am neuen Trend scheint ungebrochen. Darum plant Knittel, das Angebot auszuweiten. Neue Badeplätze, Eisskulpturen und ein Iglu zum Übernachten soll es geben. Und auch wenn die Nachfrage irgendwann sinkt, wird David Knittel weiterhin sein morgendliches Bad im Untersee geniessen.