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Kaum ein Forstbetrieb in der Region konnte in den vergangenen Jahren kostendeckend wirtschaften.Urs Gsell weiss, wie man das ändern könnte und lancierte die Initiative «Ja! Für euse Wald».
Gut 16 Jahre ist es her, seit der Orkan Lothar über die Schweiz fegte und in den hiesigen Wäldern ein nie gesehenes Chaos hinterliess. Die Forstwarte im Land räumten fleissig auf und innert kürzester Zeit kam so viel Holz auf den Markt, dass die Preise zusammenfielen.
«Die Holzpreise haben sich bis heute nicht erholt», sagt Urs Gsell, Förster beim Forstbetrieb Muhen-Hirschthal-Holziken. Das ist zwar gut für die holzverarbeitenden Industrien wie etwa die Möbelindustrie. «Für die Waldwirtschaft aber ist es verheerend», sagt Gsell.
Kaum ein Forstbetrieb in der Region habe in den vergangenen Jahren kostendeckend wirtschaften können. Im Vergleich zu den Zeiten vor «Lothar» arbeiteten heute 50 Prozent weniger Personen in der Forstwirtschaft. Man habe viele Forstbetriebe zusammengelegt und zu günstigen, oft wenig nachhaltigen Methoden der Waldwirtschaft gegriffen. Der Wald, der nicht nur Naherholungsgebiet und schützenswertes Ökosystem, sondern eben auch ein wichtiger Regenwasserspeicher sei, sei dadurch langfristig bedroht, betont Urs Gsell.
So viel bezahlen die Gemeinden
Um die Wälder überhaupt in Schuss halten zu können, haben einige Gemeinden in den vergangenen Jahren spezielle Waldabgaben eingeführt. Eine aktuelle Umfrage der az bei den Gemeinden der Region zeigt: Buchs, Suhr und die an den Forstbetrieb Oberes Suhrental angeschlossenen Gemeinden bezahlen jährlich 50 Franken pro Hektare in die Forstkassen, um das angeschlagene Forstbudget auszugleichen. In Gränichen sowie in den drei Forstverbundsgemeinden Muhen, Hirschthal und Holziken sind es 80 Franken und in Aarau, Biberstein und Unterentfelden sogar 215 Franken pro Hektar und Jahr.
In Auenstein übernimmt die Einwohnergemeinde die Hälfte der Kosten für den Waldstrassenunterhalt, die Gemeinde Reinach zahlt jährlich 15 000 Franken und Hendschiken 10 000 Franken für den Waldstrassenunterhalt und die Rastplatzpflege. Die dem Forstbetrieb Jura angegliederten Gemeinden Erlinsbach, Densbüren und Küttigen bezahlen 10 Franken pro Einwohner.
Seengen führte nach dem Orkan Lothar ebenfalls eine Abgabe ein (130 Franken pro Hektare und Jahr), stoppte die Zahlungen aber 2010, weil der Wald seit der Zusammenlegung der Forstbetriebe mit den Nachbargemeinden wieder kostendeckend bewirtschaftet werden kann. In Schafisheim wurde eine Abgabe kürzlich geprüft und vom Gemeinderat begrüsst. Und in Kölliken teilt sich die Einwohner- und die Ortsbürgergemeinde allfällige Defizite der Waldwirtschaft.
Was die az-Umfrage zeigt: Einige Gemeinden haben das Problem der unrentablen Wälder erkannt und angepackt. Die kommunalen Lösungen wuchern allerdings ziemlich wild vor sich hin und sind alles andere als einheitlich. Was die Umfrage aber auch zeigt: Der grösste Teil der Gemeinden hat bislang keine Massnahmen ergriffen, um der kriselnden Waldwirtschaft unter die Arme zu greifen.
Biker spüren die Unterschiede
Dass vor allem reichere Gemeinden eingeschritten seien und sich die Situation in vielen finanzschwächeren Gemeinden derweilen weiter zuspitze, führe kantonsweit zu einer grossen Unausgeglichenheit, sagt Urs Gsell. «Erfahrbar wird das etwa, wenn man in bestimmten Regionen mit dem Bike unterwegs ist und auf den Waldstrassen Gemeindegrenzen überquert», erzählt Gsell. «In gewissen Gemeinden sind die Waldstrassen top, in anderen kaum noch befahrbar.»
Die Lösung sieht der Hirschthaler in einer kantonsweit einheitlichen Regelung. Im März dieses Jahres hat er als Vorsitzender des Initiativkomitees deshalb die Unterschriftensammlung für die Initiative «Ja! Für euse Wald» lanciert. Die Initiative fordert, dass der Kanton den Waldbesitzern in den Gemeinden jährlich 25 Franken pro Einwohner bezahlt, um dem anhaltenden Substanzabbau in den Wäldern Einhalt zu gebieten. «Sollten sich die Holzpreise wider Erwarten erholen und die Forstbetriebe rentieren, könnte man diese leistungsbezogene Abgabe umlagern», betont der Hirschthaler Förster.
200 Jahre lang hats rentiert
Wenn die Initiative vor dem Volk durchkommt, dann müsste der Kanton jährlich zusätzlich elf Millionen Franken in die Forstwirtschaft investieren. Zusammen mit den 16 Millionen, die er bereits heute bezahlt, machte das rund 0,5 Prozent des Gesamtbudgets aus. «Ich finde das vertretbar, wenn man bedenkt, dass unser Kanton zu 34 Prozent bewaldet ist», sagt Urs Gsell. Der Kanton Thurgau, der von der Waldstruktur her mit dem Aargau vergleichbar sei, investiere rund 4 Prozent seines Budgets in den Wald.
Wenn das Anliegen nicht durchkommt, riskiere man, die über Generationen nachhaltig aufgebaute Bewirtschaftung der Wälder zugunsten einer zwar günstigeren, aber wenig schonenden Waldwirtschaft aufzugeben. «Die Rechnung ging rund 200 Jahre lang auf», betont Gsell, der seit knapp 30 Jahren in Muhen engagiert ist. «Wenn wir dem Wald weitere 200 Jahre Sorge tragen wollen, müssen wir jetzt handeln.»