Aarau
«Seine Studienreisen waren die Ferien von uns Kindern»

Neue Galerie 6 zeigt moderne späte Werke von Roland Guignard (1917–2004).

Hubert Keller
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Blick in die Ausstellung, welche dem abstrakten Alterswerk des Künstlers gewidmet ist. Kel

Blick in die Ausstellung, welche dem abstrakten Alterswerk des Künstlers gewidmet ist. Kel

Im Juli letzten Jahres ist Elise Guignard gestorben. Nun stand das Haus im Rombach, in dem ihr Gatte seinen Traum vom grossen lichterfüllten Atelier erfüllt hatte, leer.

2004 war Roland Guignard im Alter von 87 Jahren verstorben. Marcel Guignard, der älteste Sohn, seine Schwester und die beiden Brüder sahen sich vor die Aufgabe gestellt, das Haus zu räumen.

Das Elternhaus, in dem sie ständig mit dem künstlerischen Schaffen des Vaters konfrontiert gewesen waren. «Nun mussten wir uns ganz praktisch mit dem Nachlass unseres Vaters befassen und gewannen eine Sicht auf sein Werk zurück, wie wir sie lange nicht mehr hatten. Uns wurde bewusst, wie modern und heute noch gültig sein spätes Werk ist.»

Der ehemalige Stadtammann, Marcel Guignard, klopfte beim ehemaligen Stadtrat und Galeristen Carlo Mettauer an. Die Idee einer Ausstellung in der Neuen Galerie 6 wurde konkret. Heute Samstag ist Vernissage. Ein wichtiger Teil des Werks von Roland Guignard kann bis zum 1. November besichtigt werden. «Keine Nachlassausstellung», stellt Mettauer klar. Nur zwei Bilder erinnern an die gegenständliche Malerei Guignards, im Übrigen aber sind ausnahmslos Bilder und Plastiken der 90er-Jahre ausgestellt, wichtige Zeugnisse der geometrischen Abstraktion, wie diese Kunstrichtung genannt wird. «Guignards Werk ist nach wie vor sehr aktuell», sagt Mettauer.

Ein ungeliebter Brotjob

Nach der Ausbildung in der Grafikfachklasse an der Kunstgewerbeschule Zürich unterrichtete Roland Guignard als Zeichenlehrer. «Sein Brotjob», sagt sein Sohn Marcel Guignard. Das Unterrichten sei ihm eher eine Belastung gewesen. Guignard erhielt zwar recht viele öffentliche Aufträge. Bereits als 18-Jähriger hatte er den Wettbewerb für die Gestaltung des Aufenthaltsraums in der Kinderkrippe Freihof in Aarau gewonnen. Als Auftragsarbeit entstanden auch die Glasfenster im Rathaus Lenzburg. Doch die Auftragslage war über die Jahre unterschiedlich. «Er war froh, als er nicht mehr vor die Klasse stehen musste und mit seiner Kunst für die Familie sorgen konnte.»

Oft holte er Inspiration im Ausland, in Spanien, Italien und Griechenland. «Seine Studienreisen waren unsere Ferien», erinnert sich der Sohn. «Als Bub hielt ich auf solchen Reisen seine Mal- und Zeichenutensilien fest, damit sie der Wind nicht wegblies. Noch heute erstaunt mich, wie rasch er eine Landschaft, Tiere und Menschen skizzierte und gleich durch Weglassen, Hinzufügen und Verändern ein Bild schuf.» Ein warmherziger, lebensfreudiger Mensch sei sein Vater gewesen, der gerne gelacht und einen grossen Freundeskreis gepflegt habe.

Zur Abstraktion fand der Künstler mit dem grossen Auftrag 1970 für die Fenster im Seitenschiff der Stadtkirche Aarau. Es war das Schlüsselerlebnis, von dem er gerne berichtete. Es folgten zahlreiche Ausstellungen. Für ihn persönlich, aber auch für die Kunstwelt bedeutend waren jene zu seinem 50. Geburtstag im Aargauer Kunsthaus und zum 75. Geburtstag in Japan, wo sein Sohn Silvain noch heute als Musikwissenschafter wirkt. Roland Guignard und seine Frau Elise waren fasziniert von der klaren Ästhetik japanischer Kunst und vom Rhythmus der Formen, die Guignard in seine Werke einfliessen liess, wie man auch in der Ausstellung unschwer entdecken kann.

Typisch für die geometrische Abstraktion, die Guignard vertrat, sind klare Linien und die Aufteilung des Bildinhalts in Einzelflächen. «Mein Vater hat seine Werke nicht in einem intellektuellen Akt geschaffen, sondern durch Intuition», sagt Marcel Guignard. Aus einer Skizze, einem Modell verdichtete sich das Kunstwerk. «Vater war ein Tüftler, der die Farben, Formen und Flächen immer wieder neu zusammenfügte, bis er zufrieden war.» Er sei stets beeindruckt gewesen, mit welch unermüdlicher Beharrlichkeit der Vater nach dem künstlerisch-formalen Ausdruck gesucht habe, sagt der Sohn. «Mein Vater stand als Künstler nie still.»

Ausstellung Roland Guignard (1917– 2004), Neue Galerie 6, Milchgasse, Aarau, 6. Sept. bis 1. Nov. 2014; Öffnungszeiten: Do 18– 16 Uhr, Sa 14–16 Uhr, So 14–16 Uhr. Die Galerie ist vom 28. 9. bis zum 12. 10. geschlossen.