Theater
«Schatz, der Test ist positiv»: Das neue Bühne Aarau Ensemble sucht nach den Corona-Babys

Das Bühne Aarau Ensemble stellt in «Start-21» drängende Fragen der Elternschaft. Antworten gibt es Dank Videostream aus Kinshasa, Athen und Glasgow.

Anna Raymann
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Das Bühne Aarau Ensemble telefoniert nach Kinshasa.

Das Bühne Aarau Ensemble telefoniert nach Kinshasa.

Bild: Chris Iseli

Zwei feine Streifen auf dem Testfeld verändern vieles, nicht nur beim Anzeigen von Corona-Viren, sondern erst recht bei einer Schwangerschaft. Daher ist auch der in babyrosa verpackte Schwangerschaftstest zum Bild geworden für «Start-21», dem ersten Stück des neu lancierten Bühne Aarau Ensembles. Im Sinne einer Bürgerbühne suchten die Regisseure Jonas Egloff und Emily Magorrian zusammen mit Laienschauspielern nach den Geschichten der Corona-Babys.

Es ist kompliziert. So viel ist klar bei den vielen Personen, die sich im orangefarbenen 70er-Jahre Dekor auf der Bühne der Tuchlaube ausbreiten. Zwei der Paare wurden mitten in Lockdown auch im echten Leben Eltern – die schläfrigen Babys auf ihren Armen lassen daran nicht zweifeln. Eine Alleinerziehende ist ebenfalls dabei. Idyllisches Familienglück also oder Zerreissprobe für die Beziehung? Und will man denn in diese Welt überhaupt Kinder setzen?

Intime Geständnisse oder Happy End in Endlosschlaufe

Die Fragen sind längst nicht nur privat. Gestellt werden sie aber von den Schauspielern aus persönlichen Erlebnissen heraus. Aus den losen Puzzleteilen machten Magorrian und Egloff ein Stück. Um das Vorhaben liegen viele Fallstricke. «Die Idee birgt das Risiko, schnell in eine endlose Happy End Falle zu tappen», sagt Jonas Egloff, «aber letztlich hat jede Familie ihre Geschichte.»

In der Tuchlaube sind es eher Sorgen und Zwänge als das Geschrei der Neugeborenen, die die frischen Eltern nachts wach halten. «Ich kann nicht schlafen», stöhnen sie und dann erzählen sie: von verständnislosen Chefs, von Alltagsstreitereien, von Wochenbettdepressionen und Schwangerschaftsabbrüchen. Mit intimen Bekenntnissen schicken sie die Zuschauer auf eine streckenweise ruckelige Achterbahnfahrt der Emotionen. In die stille Nachdenklichkeit fällt so auch mal ein verspätetes Lachen in den Rängen.

Beziehungstipps aus Athen, Glasgow und Kinshasa

Weiss man in Aarau nicht mehr weiter, steht die Videoleitung nach Glasgow, Athen und Kinshasa. Drei Theatergruppen beschäftigen sich dort mit ähnlichen Themen, die Vorführungen finden zeitgleich statt. Wo die Bühnen noch geschlossen sind, werden die Performances aus Schlafzimmern gestreamt, Untertitel auf der Leinwand übersetzten Französisch und Englisch. Dank der Technik singen sich die Schauspieler nun über Ländergrenzen hinweg Schlaflieder vor. Bei Beziehungskrisen kommen Ratschläge von zwei Kontinenten.

«Gewisse Themen erhalten eine andere Qualität, wenn sie von Leuten besprochen werden, die aus eigener Erfahrung erzählen.»

Damit sind es im Grunde vier statt nur ein erstes Stück des Bühne Aarau Ensembles. Das Prinzip der Bürgerbühnen ist in Deutschland verbreitet, in der Schweiz sind es vor allem Jugendklubs, die mit Laien arbeiten. «Es gibt Stoffe, die kann man nur mit Profis behandeln. Aber gewisse Themen erhalten eine andere Qualität, wenn sie von Leuten besprochen werden, die aus eigener Erfahrung erzählen», sagt Egloff. In «Start-21» wollte vielleicht etwas zu viel erzählt werden. Im Stück, das für kommende Saison geplant ist, wird es um psychische Belastungen in der Coronakrise gehen. Dies wird noch mehr Raum lassen, um zuzuhören, als der Trubel eines Kinderzimmers.

«Start-21» Bühne Aarau Ensemble, 4.6. und 5.6. Tuchlaube