Leben in Aarau
Endlich Ferien – Meer geht immer!

Stricken Sie noch oder eisbaden Sie schon? Privilegierte können der Pandemie ja durchaus positive Aspekte abgewinnen. So habe ich mich gezwungenermassen intensiv mit meinem Ferien- und Freizeitverhalten auseinandergesetzt.

Lelia Hunziker
Lelia Hunziker
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Lelia Hunziker machte 2020 Ferien in Frankreich.

Lelia Hunziker machte 2020 Ferien in Frankreich.

Zvg

Im ersten Lockdown habe ich gestrickt. Hochmotiviert. Ich habe auf dem ausgetrockneten Markt Muster, Nadeln und Garn besorgt. Ich habe mir Kopfhörer in die Ohren gesteckt, mich in den Garten gesetzt, Podcast gehört und gestrickt. Auf Teufel komm raus. Es ging schnell vorwärts und so lange gut, bis es kompliziert wurde und ich mich nicht mehr an die Anleitung hielt. Schnell war alles nicht mehr so, wie es sein sollte. Zu kurz, zu tief, zu schräg. Futsch. Das unfertige Werk liegt in einem Korb in der Ecke. Und wartet; im besten Fall auf Godot. Darauf folgten Häkelattacken und Nähprojekte. Dabei entstand immerhin eine Wimpelkette, die jetzt im Garten flattert. Auch Wanderungen und Velotouren rund um Aarau standen auf dem Programm, diese gerne auch kombiniert mit einem Bad in einem eisigen Gewässer. Aktuell skizziere ich Zoomsitzungen. Insbesondere die Hintergründe faszinieren mich. Eine gute Übung, um hinter die Fassaden zu gucken und zwischen den Zeilen zu lesen.

Die freie Zeit neben der Arbeit sinnstiftend zu füllen, ist das eine. Das andere ist die Ferienplanung. Ferien sind schon in normalen Zeiten eine heikle Disziplin. Auch weil Bilder in den sozialen Medien fordern. Andere erleben in Ferien nur Schönes, Lustiges und Inspirierendes. Diese Seelen kommen immer völlig ausgebaumelt zurück in den Alltag. Ja klar: Dieser Schein trügt. Auch bei den Anderen regnet es, zwickt der Sonnenbrand, stinkt der Hinterhof, stockt der Stau, tobt das Kind, nervt das Gegenüber und rumort der Darm. Kurz: Bei allen ist die Pizza lampig.

In der Pandemie werden Ferien noch komplizierter. Erholsame und ereignisreiche sowieso. Im ersten Jahr nahmen wir uns Matterhorn, die Weinberge am Genfersee, die Aare-Auen, die Jurahöhen und das Jungfraujoch vor. Ganz nach der Devise weiter ist nicht besser, innere Reisen sind wertvoller als äussere und think global act local. Oder in den Worten Camus: «Das Reisen führt uns zu uns selbst zurück.» Und so machten wir uns auf. In die Berge. In die Hütten. In die Garnis. Zu Campingplätzen und Jugis. Und hielten uns beflissentlich an die Regeln, Anleitungen und Mahnungen: Nicht picknicken. Finken anziehen. Geschirr wegräumen. Nachtruhe um 10. Frühstück bis 10. Bitte nur kurz duschen. Abfall mitnehmen. Meer geht immer!

Wer sich nicht ins enge Korsett der schweizerischen Ferienanlage zwängen will, der reist im mobilen Home. In meinem linken Biotop hat der Hippiebus Hochkonjunktur. Entweder eine alte Dreckschleuder, dafür cool im Look. Liebevoll ausgebaut und dekoriert mit Vorhängen, Berberteppich und Lichterkette. Oder dann die neue, 100'000 Franken teure Version davon. In hybrid. Durchorganisiert und effizient. Genau: Das sind die Menschen, die jedem SUV naserümpfend und kopfschüttelnd hinterher schauen und sarkastisch frotzeln: «Natürlich kommt man nur mit einer solchen Karre ins Zelgli hoch.» Und weil man in meinem Biotop nicht zwei Autos besitzt, muss der Bus auch im Alltag herhalten, für Altglasentsorgen, Posten und den Taxidienst. Ich habe diese Freiheit im Bus mehrmals erprobt. Es ist nett. Aber kompliziert. Zu viel Ballast im Schlepptau. Zu hohl die Bubble rundherum. Die Romantik endet meistens am Eingang des Campings oder wenn es am Morgen beim Wildcampen ans Fenster pöpperlet.

Ich zelebriere deshalb aktuell das leichte Gepäck. Und so reise ich heute im Zug, in Wanderschuhen und dem E-Reader im Rucksack ins Onsernonetal. Vielleicht «Findet mich das Glück» Fischli/Weiss.

Lelia Hunziker (47), ist Geschäftsführerin und SP-Grossrätin. Sie wohnt in Aarau.